Warum Hartz IV kein Beispiel für die österreichische Arbeitsmarktpolitik ist

„Hartz IV auch in Österreich.“ Dieser Ruf geistert – angestachelt durch das vermeintliche Beschäftigungswunder in Deutschland – seit einigen Monaten immer wieder durch die Medien. Mit den nun verpflichtenden 1-Euro-Jobs für alle BezieherInnen der bedarfsorientierten Mindestsicherung in Niederösterreich droht der Ruf nun Wirklichkeit zu werden. Mit der Frage, was Hartz IV für Österreich bedeuten würde, beschäftigten sich Mitte November im Rahmen einer  Veranstaltung der AK Wien auch verschiedene ExpertInnen aus Österreich und Deutschland.

Aus armen Arbeitslosen wurden arme Erwerbstätige

Die Hartz-Reformen waren eine der radikalsten Reformen der Arbeitsmarktpolitik in der EU und stellten einen sozialpolitischen Paradigmenwechsel dar: „Weg von der aktiven Arbeitsmarktpolitik und deren Qualifizierungsmaßnahmen, hin zu autoritär-aktivierender Arbeitsmarktpolitik“, mit schneller Vermittlung in schlechte Jobs, sagte Karin Schulze Buschoff (Hans-Böckler-Stiftung).

Mit den Hartz-Reformen wurde der Arbeitsmarkt dereguliert, Sanktionen für Arbeitslose weiter verschärft und Regelungen für Minijobs, befristete Jobs und andere atypische Beschäftigungsverhältnisse geschaffen. Die Folge: Es kam zu einer Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit. Jeder Fünfte erhält in Deutschland nur noch einen Niedriglohn. Die Chance, aus diesem Bereich zu entkommen, ist sehr gering. Hartz IV habe in Deutschland aus armen Arbeitslosen nun arme Erwerbstätige gemacht, so Buschoff.

Auch auf die Alterssicherung hätten die Hartz-Reformen verheerende Auswirkungen, berichtete Markus Hofmann (DGB): „Hartz IV ist der Weg in die manifestierte Perspektivlosigkeit. Aus der Einkommensarmut wird später Altersarmut.“ Auch die oft behauptete Brückenfunktion der Hartz-Reformen sei „schlicht nicht gegeben“, denn wer einmal im Hartz-IV-Bezug landet, findet nicht mehr heraus. Wir trennten einen erheblichen Teil der Bevölkerung dauerhaft vom Wohlstand, aber auch von jeder Teilhabe, vom kulturellen und politischen Leben, kritisierte Hofmann: „Wer sich hier ein Beispiel an Deutschland nimmt, macht die Tür auf zu einer Armutsrepublik.“

“Hartz IV in Österreich wäre ein Rückschritt”

„Die Arbeitslosigkeit steigt an, immer mehr Menschen laufen Gefahr, dauerhaft aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt zu werden. Es ist voreilig und riskant, aus den in Deutschland niedrigeren Arbeitslosenzahlen darauf zu schließen, dass man Hartz IV nur nach Österreich importieren müsste, und schon wären alle Probleme gelöst“, sagte Alice Kundtner von der AK Wien. Der Grund für die niedrige Arbeitslosigkeit in Deutschland liegt nicht in den Hartz-Reformen, sondern in unterschiedlichen demographischen Entwicklungen.

„Hartz IV wäre ein Rückschritt und würde die Probleme auf dem Arbeitsmarkt nicht beheben,“ so Ilse Leidl-Krapfenbauer (AK Wien). An die Stelle der Notstandshilfe als bedarfsorientierte Versicherungsleistung würde die Mindestsicherung treten – es käme also zu einer Abkehr vom Versicherungsprinzip. Zudem würde die in der Mindestsicherung geforderte Verwertung des eigenen Vermögens auch von allen (früheren) NotstandshilfebezieherInnen gefordert.

Aktive Arbeitsmarktpolitik als Alternative

Das viel bessere Rezept gegen die aktuellen Probleme auf dem Arbeitsmarkt sind aus Sicht der Arbeiterkammer unter anderem neue Ansätze in der aktiven Arbeitsmarktpolitik, wie beispielsweise die Ausbildungsgarantie bis 25, eine Beschäftigungsgarantie für Ältere oder die gezielte Vergabe von öffentlichen Aufträgen an Soziale Unternehmen, um Arbeitsplätze für benachteiligte Menschen zu schaffen.

Alle Unterlagen zu den Auswirkungen der Hartz-Reformen sowie zu den Redebeiträgen finden Sie auf der Website der AK Wien.