Aufgaben und Selbstverständnis von Sozialen Unternehmen in Österreich

Offener Brief des bdv austria an den Verein “Aktive Arbeitslose”, z.H. Martin Mair und andere interessierte VertreterInnen von Arbeitsloseninitiativen in Österreich

Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Martin!

Als Interessenvertretung der Sozialen Unternehmen in Österreich weisen wir Ihre Darstellung der Menschenrechtswidrigkeit und der Umgehung von Kollektivverträgen in Sozialen Unternehmen zurück und erachten die verwendete Täter-Opfer-Terminologie für nicht Ziel führend.

Als Soziale Unternehmen in Österreich (Sozialökonomische Betriebe, Gemeinnützige Beschäftigungsprojekte, Beschäftigungsgesellschaften, gemeinnützige Arbeitskräfteüberlasser, Beratungs- und Betreuungsunternehmen und gemeinnützige Kursanbieter) verstehen wir unsere Aufgabe vorrangig darin, Menschen dabei zu unterstützen, einen Arbeitsplatz zu finden oder über befristete Beschäftigungsmöglichkeiten eine neue Perspektive am Arbeitsmarkt zu finden.

Die dynamischen Entwicklungen am Arbeitsmarkt haben verstärkt dazu geführt, dass immer mehr Menschen mit diesen Entwicklungen nicht Schritt halten können. Manche Menschen finden von Anfang an keinen passenden Arbeitsplatz, andere verlieren aus unterschiedlichen Gründen ihren bisherigen Arbeitsplatz und finden keinen entsprechenden Ersatz. Deshalb braucht es aus unserer Sicht passende Angebote, die Menschen in derartigen Situationen unterstützen. Soziale Unternehmen machen solche Angebote.

Einmalig an diesen Sozialen Unternehmen ist das Angebot von befristeten Beschäftigungsverhältnissen. Diese Beschäftigung zeichnet sich dadurch aus, dass sie von intensiver sozialpädagogischer Betreuung begleitet ist. Denn für viele dieser Menschen ist es notwendig, während eines Arbeitsverhältnisses in einem Sozialen Unternehmen individuelle Probleme zu lösen, wie zum Beispiel Schulden in den Griff zu bekommen. Außerdem wird während des Dienstverhältnisses gemeinsam der Versuch gestartet, einen passenden und dauerhaften Arbeitsplatz zu bekommen.

Im Unterschied zu Deutschland sind diese befristeten Beschäftigungsverhältnisse in Österreich voll sozialversicherungspflichtig und unterliegen sämtlich der Anwendung von Kollektivverträgen. Sehr viele Soziale Unternehmen unterliegen durch ihre spezifische Tätigkeit einem Branchen-Kollektivvertrag. Für alle anderen Sozialen Unternehmen gelten BAGS KV und BABE KV. Die befristeten Beschäftigungsverhältnisse sind spezifisch geregelt, liegen über dem Mindestlohn und sind in vier Gruppen unterteilt, sodass unterschiedliche Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten berücksichtigt werden können.

Wir, als Dachorganisation der Sozialen Unternehmen, führen seit Jahren einen intensiven Austausch rund um die Verknüpfung von sozialpolitischen und arbeitsmarktpolitischen Themenstellungen. Wir machen uns stark für gute Rahmenbedingungen, um Arbeitsplätze mit hoher Qualität bereitstellen zu können; wir machen uns stark für einen erweiterten Arbeitsmarkt, in dem alle Menschen entsprechend ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten einer Existenz sichernden Tätigkeit nachgehen können. Außerdem ist es uns ein großes Anliegen, in Sozialen Unternehmen der Zukunft bei Bedarf auch dauerhafte Beschäftigungs-,  Mitsprache-, und Beteiligungsmöglichkeiten anbieten zu können.

Wir laden Sie sehr herzlich ein, mit uns in einen persönlichen Dialog zu treten, um offensichtlich vorliegende Wahrnehmungsunterschiede besprechen und diskutieren zu können. Es ist uns extrem wichtig und entspricht dem Selbstverständnis aller Sozialen Unternehmen, ihren Aufgaben menschenwürdig und in bester Qualität nachzukommen. Das gelingt nur im Einvernehmen mit den Menschen, um die es geht.

Wir freuen uns auf eine Rückmeldung und verbleiben

mit freundlichen Grüßen

Judith Pühringer und der Vorstand des bdv austria

 

bdv austria Artikelbild