Judith Pühringer im Kurier-Interview: “Nicht genug Jobs für alle”

Anita Staudacher vom KURIER sprach mit bdv austria-Geschäftsführerin Judith Pühringer über eine gerechte Verteilung der Arbeit, Auswirkungen der Frühpensionsreform sowie den Bedarf eines “dritten Arbeitsmarktes” für all jene, die die Re-Integration nicht mehr schaffen. Anbei das Interview, das am 29.Mai im Wirtschaftsteil des Kurier erschienen ist:

KURIER: Sie fordern einen „Überstunden-Euro“. Was genau steckt dahinter?

Judith Pühringer: Die Arbeitslosenzahlen steigen, gleichzeitig wächst der Druck auf die, die arbeiten. Arbeitslosigkeit lässt sich nicht mehr allein durch mehr Wachstum lösen. Wir wünschen uns eine Initiative der Regierung zur gerechteren Verteilung von Arbeit. Denkbar ist hier ein „Überstundeneuro“, den Arbeitgeber an den Staat zahlen. Das Geld könnte für Beschäftigungsmaßnahmen verwendet werden.

Die Arbeitslosigkeit bei den über 50-Jährigen steigt doppelt so stark an wie der Durchschnitt. Was ist hier zu tun?

Das Geburtsdatum darf kein Ausschlussfaktor am Arbeitsmarkt sein – genau das passiert aber gerade. Das von der Regierung vorgesehene Bonus-Malus-System, bei dem Betriebe mit zu wenigen „50plus-Beschäftigten“ in einen Beschäftigungs-Topf einzahlen, soll rasch kommen. Es geht aber auch um Bewusstseinsbildung: von einer guten altersmäßigem Durchmischung in einem Betrieb profitieren alle.

Wie kann Langzeitarbeitslosigkeit vermieden werden?

Gerade bei Langzeitarbeitslosigkeit braucht es sehr passgenaue Angebote um einen Wiedereinstieg in den ersten oder zweiten Arbeitsmarkt (Beschäftigungsprojekte, Anm.) zu ermöglichen. Tatsache ist aber auch: Es gibt nicht mehr genügend passende Jobs für alle. Es geht also auch am Arbeitsmarkt um Verteilungsfragen: Insgesamt wird an einer Arbeitszeitverkürzung, zunächst etwa auf eine 35-Stunden-Woche, kein Weg vorbeiführen.

Die Invaliditätspension neu verschärft die Situation für Menschen mit gesundheitlicher Beeinträchtigung noch…

Als bdv austria sehen wir in der „IP neu“ auch Chancen. Es wird genauer geschaut, ob es Chancen auf Rehabilitation gibt, auf eine neue Perspektive für das Arbeitsleben. Für jene, denen trotz Rehabilitationsmaßnahmen der Wiedereinstieg nicht gelingt, braucht es aber sicherlich Angebote für geförderte Arbeitsplätze, die es Menschen ermöglichen auch länger, zum Beispiel bis zur Pensionierung, einen guten und machbaren Job zu erledigen. In speziellen Sozialen Unternehmen gibt es solche Arbeitsplätze.

 Es braucht also einen dritten Arbeitsmarkt für all jene, die auf dem Regelarbeitsmarkt trotz aller Wiedereingliederungs-Bemühungen kaum Chancen haben?

Unsere wichtigste Botschaft lautet: Die Menschen wollen arbeiten, aber nicht alle schaffen es zu den Bedingungen, die der „Erste Arbeitsmarkt“ verlangt. Weil sie eine Behinderung haben, krank sind, oder auch dem Druck einfach nicht (mehr) standhalten. Hier genügend passgenaue, langfristige und gute Arbeitsplätze zu schaffen ist eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung, der Österreich mit noch größerem Engagement und in noch größerem Umfang nachkommen muss.