Lokalaugenschein nahe Lüttich („Liège“, etwa 100 Kilometer südöstlich von Brüssel): In einer riesigen Halle auf dem Betriebsgelände von „Pan-terre“, einem Sozialen Unternehmen, fliegen die Fetzen: Und das ist gut so, werden dort in enormen Gebläsemaschinen doch leichtere Papierblätter von Kartonagen getrennt. Im Anschluss daran entstehen aus Papier- und Textilfasern sehr gefragte Dämm- und Lärmschutzplatten, etwa für Musiker oder Tonstudios. „Die Fasern werden mit reinem Wasser aufgeweicht und dann gepresst, ohne Zusatz von Chemikalien“, ist Salvatore Vetro, Chef der Terre-Gruppe, sichtlich stolz auf die nachhaltige Geschäftsidee.
Eine Halle weiter trennen Dutzende Arbeiterinnen und Arbeiter den Inhalt der Textilsammelsäcke, die in mehreren Lastwägen aufs Gelände rollen. In Containern mit der Aufschrift „Creme“ landen besonders gut erhaltene und schöne Kleidungsstücke: Sie werden bald in den 18 Secondhand-Shops in ganz Wallonien über den Ladentisch wandern. Weitere Container enthalten T-Shirts, Gürtel, Bettwäsche, Hosen. Im Erdgeschoss arbeitet ein Mann an einer Maschine, die von weitem wie eine Kreissäge aussieht: Er zerschneidet unbrauchbare Baumwollkleidung in Putzfetzen für die Industrie.
Rund 1900 Kilogramm Altkleider sortiert eine geübte Person pro Tag, 15.000 Tonnen an Textilien verwertet der Betrieb insgesamt pro Jahr. Beim Altpapier sind es 60.000 Tonnen. Alleine 270 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind am „Terre“-Standort in Milmort bei Lüttich beschäftigt. Die Papier- und Textilsortierung ist Teil der „Groupe Terre“. Dabei handelt es sich um eine Wirtschaftsgruppe mit einem Gesamtjahresumsatz von 23,5 Millionen Euro, rund 350 Beschäftigten und dem sozialen Ziel, Menschen, die besonders schwer einen Job finden, eine dauerhafte Arbeit zu geben.
Partizipation wird groß geschrieben
Partizipation wird in der gesamten Unternehmensgruppe groß geschrieben: Jede(r) hat eine Stimme in der Generalversammlung. In verpflichtenden Round Tables zu bestimmten betrieblichen Themen können die MitarbeiterInnen ihre Ideen und Ansichten einbringen – während der Dienstzeit, versteht sich.
Im Alttextilienbereich träumen die Verantwortlichen von Terre derzeit davon, hier künftig auch Brücken in ärmere Länder zu schlagen: Das verwundert nicht, schließlich hat Terre ihre Wurzeln in der Entwicklungszusammenarbeit und betreibt auch eine NGO in diesem Bereich. In der Textilsortierung ist auf Initiative einer lokalen Partnerorganisation in Burkina Faso bereits ein Sortierzentrum entstanden, das dort 20 Personen Arbeit sichert – ein Vorgeschmack auf das, was noch folgen soll….
EU-Projekt zur Stärkung Sozialer Unternehmen
Der Lokalaugenschein war Teil des Treffens einer Projektgruppe aus belgischen, britischen, portugiesischen, italienischen und österreichischen VertreterInnen Sozialer Unternehmen. Im Rahmen eines zweijährigen Erasmus-Projektes (Start: November 2014) werden die ExpertInnen die Bedürfnisse von Schlüsselkräften im Jobcoaching- und Marketing-Bereich erheben und geeignete Trainingsbausteine entwickeln.
bdv austria ist im Rahmen des Projekt für den Marketing-Teil zuständig. Charlotte Gruber, die gemeinsam mit Helmut Bayer und Silke Ruprechtsberger für den österreichischen Dachverband an dem Treffen in Belgien teilnahm, erklärt dazu: „Wir haben uns darauf geeinigt, uns vor allem auf das Eigenmarketing der Sozialen Unternehmen, also die Imagepflege bei den wichtigsten Partnern zu konzentrieren. Denn Soziale Unternehmen stehen vor der Herausforderung, dass sie neben ihren Angeboten auch sich selbst vermarkten müssen, vor allem, wenn sie Förderungen bzw. Spenden bekommen oder Transitarbeitskräfte beschäftigen, die sie an andere Wirtschaftsunternehmen vermitteln möchten.“