Sozialrechtsexperte Pfeil: Notstandshilfe-Aus trifft auch arbeitende Menschen

Die von der Regierung geplante Abschaffung der Notstandshilfe bedeute eine massive Verschlechterung für arbeitslose Personen, treffe besonders Österreicher*innen und sei mittelfristig auch eine Bedrohung für jene Menschen, die jetzt (noch) eine Arbeits haben, von der sie leben können: Das betonte kürzlich Walter J. Pfeil, Professor für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Salzburg, bei seinem Vortrag im Rahmen der Armutskonferenz-Tagung „Das ist doch das Mindeste“ in Wien.

Die im Raum stehende Abschaffung der Notstandshilfe zieht eine Vielzahl an negativen Konsequenzen nach sich, machte Sozialrechtsexperte Walter J. Pfeil deutlich.

Derzeit liegen noch keine konkreten Gesetzestexte zu den geplanten Reformen bei Mindestsicherung und Arbeitslosenunterstützung vor. Bekannt ist aber, dass die Regierung die Notstandshilfe abschaffen und die Unterstützung arbeitsloser Menschen in Form eines stufenweisen „Arbeitslosengelds neu“ relativ rasch in  das Mindestsicherungs-System eingliedern will. Dies zöge laut dem Sozialrechtsexperten Walter J. Pfeil eine Reihe von Verschlechterungen nach sich.

Nach den derzeit geltenden Regeln erhält eine arbeitslose Person je nach Alter und Beschäftigungsverlauf max. 20 bis 52 Wochen Arbeitslosengeld. Danach kann Notstandshilfe beantragt werden. Diese ist eine Versicherungsleistung. Die Notstandshilfe ist etwas niedriger als das vorher erhaltende Arbeitslosengeld (92 bzw. 95 Prozent) und kann (bei Erfüllung der Voraussetzungen, unter anderem Arbeitswilligkeit), zeitlich unbegrenzt bezogen werden. Während des Bezugs sind die Personen kranken- und pensionsversichert.

Die im Raum stehende Abschaffung der Notstandshilfe zieht eine Vielzahl an negativen Konsequenzen nach sich, machte Pfeil deutlich. Österreicher*innen sind davon übrigens besonders betroffen: Mehr als drei Viertel der Notstandshilfe-Bezieher*innen sind Inländer*innen.

  • Arbeitslose Menschen landen nach wenigen Jahren im System der Mindestsicherung. Sie erhalten damit in der Regel erheblich weniger Geld. Dazu kommt, dass bei der Mindestsicherung anders als bei der Notstandshilfe das Partnereinkommen miteinbezogen wird. Mit anderen Worten: Verdient der Partner gut, erhält die arbeitslose Person unter Umständen gar keine Unterstützung. Dazu kommt, dass erst Anspruch auf Mindestsicherung besteht, wenn das eigene Vermögen bis auf einen bestimmten Freibetrag (in der Regel rund 4200 Euro) aufgebraucht ist.
  • Der mit der Abschaffung der Notstandshilfe einhergehende Wechsel von einer Versicherungs- zu einer Sozialleistung macht die Betroffenen auch unabhängig von der Höhe schutzloser. Pfeil: „Bei einem System, das auf Beiträgen aufgebaut ist, kann nicht so leicht eingegriffen werden. Denn hier gilt der Vertrauensschutz: Wer hier Änderungen will, muss den Spielraum einbeziehen, den die Betroffenen haben, die sich zu Recht auf das bestehende System verlassen haben. Härtefälle müssen verhindert werden.“
  • Anders als Notstandshilfe-Bezieher*innen sind Bezieher*innen in der Mindestsicherung nicht pensionsversichert. Nach derzeitigen Regierungsplänen sollen langzeitarbeitslose Menschen nach zwei Jahren aus der Pensionsversicherung hinausfallen. Laut Pfeil sind langzeitarbeitslose Menschen damit künftig doppelt benachteiligt: „Erst erhalten sie weniger Geld als bisher, später haben sie dazu noch Einbußen bei der Pension.“
  • Durch die Abschaffung der Notstandshilfe steigt auch der Druck auf jene, die (noch) eine Arbeit haben, von der sie leben können. „Durch die geringe Unterstützung werden arbeitssuchende Menschen dazu gedrängt, nicht auf einen passenden Arbeitsplatz zu warten, sondern möglichst rasch auch einen schlechter bezahlten Job unter den eigenen Qualifizierungen anzunehmen“, so Pfeil. Das verschlechtert die Karten von Mitarbeiter*innen etwa in Handel und Gastronomie, die relativ rasch ausgetauscht werden können.
  • Derzeit unterstützt das Arbeitsmarktservice Notstandshilfebezieher*innen neben dem Notstandshilfe-Geld auch mit arbeitsmarktpolitischen Angeboten, damit diese den Weg zurück ins Erwerbsleben finden. Sozialrechtsexperte Pfeil befürchtet, dass diese Unterstützung wegfällt, wenn langzeitarbeitslose Menschen kein Geld mehr aus der Arbeitslosenversicherung erhalten, weil sich das AMS dann naturgemäß mehr um jene Arbeitslosen kümmern wird (müssen), die auch das AMS-Budget belasten.