Neuer Kriterienkatalog des Gütesiegels für Soziale Unternehmen

Der Kriterienkatalog des Gütesiegels für Soziale Unternehmen wurde überarbeitet, um zum einen noch stärkeren Fokus auf Diversität und öko-soziale Innovation zu setzen und zum anderen, um den neuen Impulsen des EFQM Modells 2020 in Hinblick auf Unternehmens-Agilität, das Verständnis von Unternehmen als Kollaborationssysteme, u.v.m. Rechnung zu tragen. arbeit plus hat Charlotte Gruber, Ehren-Vorstandsmitglied von arbeit plus und langjährige Begleiterin des Gütesiegels für Soziale Unternehmen, dazu interviewt.

Liebe Charlotte, du begleitest das GSU schon sehr lange, was macht das Gütesiegel für Soziale Unternehmen für dich aus?

Ich finde das Gütesiegel ist für die Bewerber*innen ein wichtiges Instrument, um selbst über die eigene Organisation – anhand von vorgegebenen Kriterien – nachzudenken. Der Prozess zur Erlangung des Gütesiegels bietet die Chance, sich mit vielen Aspekten des eigenen Unternehmens auseinanderzusetzen und gibt einen gewissen Leitfaden vor, welche Dinge man sich anschauen sollte. Es sind alles Aspekte, die in einem Unternehmen ohnehin behandelt und beachtet werden müssen. Dinge, die passieren, weil sie getan werden müssen. Der Kriterienkatalog bringt allerdings eine gute Struktur in diesen Nachdenkprozess. Man kann diese Aktivitäten im Rahmen des GSU Prozesses darstellen und sich selbst dadurch bewusst machen, was eigentlich in einem Betrieb geleistet wird.

Das Gütesiegel für Soziale Unternehmen gibt es nun seit 12 Jahren. Kannst du uns etwas über die Entstehungsgeschichte erzählen?

Ich war im Grunde genommen bei der Geburtsstunde des Gütesiegels für Soziale Unternehmen dabei, 2002 in Brüssel. Da haben wir uns nach den Möglichkeiten erkundigt, ein Qualitätsmanagement-System einzuführen und dazu recherchiert.

Die Auseinandersetzung auf europäischer Ebene, etwa mit Blick auf Beispiele in Spanien und Frankreich, hat nicht nur uns inspiriert, sondern umgekehrt auch im europäischen Netzwerk ENSIE einen stärkeren Fokus auf Qualitätsmanagement und in Folge eine intensivere Konzentration auf Wirkungsmessung als Instrument zum europäischen Vergleich initiiert.

Mit Mai 2021 wurde nun ein neuer sogenannter “Kriterienkatalog” eingeführt, entlang dem Assessor*innen die Unternehmen bewerten. Warum hat es einen neuen Kriterienkatalog gebraucht und was sind seine Vorteile?

Der Kriterienkatalog des Gütesiegels für Soziale Unternehmen orientiert sich am EFQM System. Das EFQM System wurde neu aufgesetzt und auf neue Beine gestellt. Neue Schwerpunkte wurden gesetzt. Nachdem wir den Anspruch haben, uns an dieses System, das eine ganzheitliche Sicht auf Organisationen ermöglicht, anzulehnen, war es notwendig, dass wir die Anpassung mitgehen. Die Assessments werden von der Quality Austria bestätigt, in Anpassung an die Strukturen der EFQM (European Foundation of Quality Management).

Findest du das gut?

Ich finde es haben jetzt Dinge wie Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft, die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen oder gesellschaftliche Wirkungen, viel mehr an Bedeutung gewonnen. Ebenso die Interaktion mit den sogenannten Interessengruppen. Der Kriterienkatalog ist stringenter und komprimierter geworden. Wirtschaftliche Aspekte sind zwar nach wie vor wichtig, aber sie überwiegen nicht mehr so stark. Vielmehr geht es um die Außenwirkung und den Beitrag, den ein Soziales Unternehmen für Nachhaltigkeit und ein solides Wachstum leistet – und das in Interaktion mit Interessengruppen, mit dem gesamten Umfeld eines Betriebes.

Der neue Kriterienkatalog zielt stärker auf unterschiedliche Ebenen ab und diesen noch ganzheitlicheren Blickwinkel finde ich gerade in Zeiten wie diesen wichtig und wertvoll.

Ist Diversität auch ein neuerer, stärkerer Schwerpunkt?

Für uns war – bereits beim ersten Kriterienkatalog – dieser Aspekt immer vorrangig. Im damaligen EFQM System wurde ihm ursprünglich nicht diese Bedeutung beigemessen. Es war uns von Anfang an ein großes Anliegen, dass Soziale Unternehmen gerade im Bereich Gender Mainstreaming und Diversity Management einen Schwerpunkt setzen müssen.

Ihr seid also einen Schritt voraus gegangen?

Wir haben das sogar zu einem sogenannten „Knock out Kriterium“ gemacht. Wenn es in dem Bereich keinerlei Anstrengungen und keinerlei Nachweise gibt, führt das dazu, dass man das Gütesiegel gar nicht erwerben kann.

Wie würdest du ein Unternehmen überzeugen, am Prozess zur Erlangung des Gütesiegels teilzunehmen? Was sind deine Empfehlungen?

Der Prozess erlaubt es, sich intensiv mit dem eigenen Betrieb auseinanderzusetzen, viele Aspekte anzusehen. Man macht sich sonst nicht die Mühe, überall so genau hinzuschauen. Wenn man es ernst nimmt, bringt es auf alle Fälle Vorteile, weil man ein besseres Gesamtbild des eigenen Betriebes bekommt. Fragen wie “Wo/ Wer sind meine Interessengruppen?”, “Was will ich mit meinem Unternehmen erreichen?”, “Welche Maßnahmen setze ich für meine Zielgruppen?”, “Wir kann ich das nach Außen kommunizieren?” oder “Was haben wir für einen gesellschaftlichen Nutzen” dienen der Bewusstmachung dessen, was bereits vorhanden ist und dienen dazu, sich zu verbessern.

Werden bei diesen Prozessen auch blinde Flecken aufgedeckt?

Das Assessment ist ein Gespräch über das Unternehmen anhand verschiedener Kriterien – an dem Tag, den man als Assessor*in im Unternehmen verbringt, kommt im Diskurs vieles aufs Tapet. Es macht Dinge deutlich, die man oft selbst übersieht.

Der Prozess zum Gütesiegel dient als Instrument der Verbesserung. Ziel des Prozesses ist es, einerseits die Dinge auszuloten, die gut laufen aber gleichzeitig die Punkte zu finden, wo etwas nicht so optimal läuft, um genau darauf – und dazu dient ja auch das Assessment und der Assessment-Bericht – den Fokus zu richten, wo es noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Das ist ein intrinsisches Ziel des gesamten Prozesses: Aspekte auszumachen, denen man vielleicht bislang nicht so viel Augenmerk geschenkt hat, um ihnen in Zukunft mehr Beachtung zu schenken und zu versuchen, da etwas zu verändern.

Wir von arbeit plus freuen uns schon, im Herbst den Festakt zur Verleihung der Gütesiegels für Soziale Unternehmen auszurichten und jene Unternehmen vor den Vorhang zu bitten, die sich – heuer noch optional nach dem Kriterienkatalog alt oder neu – durch die Einhaltung sozialer, organisatorischer und wirtschaftlicher Qualitätsstandards auszeichnen.

Liebe Charlotte, wir sehen einander spätestens in der Brunnenpassage im November!

© St:WUK Natur.Werk.Stadt

An dieser Stelle möchten wir Charlotte für ihr langjähriges Engagement herzlich danken – vorerst mit obigem virtuellen Blumengruß! Charlotte zieht sich aufgrund ihrer Pensionierung aus ihren Funktionen rund um das Gütesiegel zurück, bleibt aber als Studentin dem Thema “Gute Arbeit für Alle” treu und wird arbeit plus auch weiterhin als Ehrenmitglied im Vorstand begleiten.

Das Webinar GSU Kriterienkatalog Neu, das am Mo, 21. Juni 2021, 13 – 14 Uhr via Zoom stattfindet, bietet erste Einblicke in den neuen Kriterienkatalog, der ab 2022 verpflichtend anzuwenden ist. Anmeldung unter office@arbeitplus.at.

Save the Date: Die diesjährige feierliche Verleihung des Gütesiegels für Soziale Unternehmen findet am 19. November 2021, 11 – 14 Uhr in der Brunnenpassage, 1160 Wien statt.

Das Gütesiegel für Soziale Unternehmen wird vom AMS Österreich gefördert und finanziert.

Logo des Gütesiegels für Soziale Unternehmen