Sozialminister Hundstorfer im Interview über brennende Themen der Sozialpolitik

Christoph Parak, Geschäftsführer des Wiener Dachverbandes für sozial-ökonomische Einrichtungen (DSE-Wien), sprach für das DSE-Magazin “Arbeitsmarktpolitik Aktiv“ mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer über Vermögensverteilung, Vollbeschäftigung, ältere Arbeitslose und weitere heiße Themen der Sozialpolitik. Hier ein Auszug aus dem Interview:


AKTIV: Im Regierungsprogramm 2013-2018 findet sich das Ziel der „massiven Steigerung der Beschäftigung mit dem Ziel der Vollbeschäftigung durch überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum“. Wie soll bis 2018 Vollbeschäftigung angesichts der aktuellen Arbeitslosenquote, der gegebenen Konjunkturlage und des herrschenden Spardrucks der öffentlichen Haushalte erreicht werden?

BM Hundstorfer
: Na ja, wie soll’s erreicht werden? Es ist ja die Generaldebatte, mit welcher Geschwindigkeit spare ich, mit welcher Geschwindigkeit betreibe ich Budgetkonsolidierung. Keine Frage, wir bekennen uns natürlich zum Sparen, aber die Frage ist zulässig, ob ich mir etwas längerfristige Zeiträume für dieses Sparen gebe, um entsprechende Impulse zu setzen. Und diese Impulse kann die öffentliche Hand nur setzen, wenn es auch gelingt, eine Mischung zwischen Sparen, Überarbeitung von öffentlichen Ausgaben auf der einen Seite, aber auch natürlich steuerlicher Umverteilung auf der anderen Seite zu finden. Es ist auch die Frage, wieweit wir die Binnennachfrage entsprechend animieren können. Wir haben es in Österreich über Jahre geschafft, dass die Binnennachfrage eine relativ gute war, d.h., dass der Inlandskonsum ganz gut funktioniert hat. Das ist zur Stunde leider nicht wirklich der Fall. Der Inlandskonsum dümpelt dahin. Wichtig ist die Mischung. Ich bin überzeugt davon, dass – nachdem sich jetzt auf europäischer Ebene viele Länder bewusst sind, dass es nur in einer Mischung geht – daran gearbeitet wird. Für diese Mischung muss man jetzt das richtige Augenmaß entwickeln, und dieses richtige Augenmaß, glaube ich, wird innerhalb der neuen Funktionsperiode der EU-Kommission möglich sein. Grundsätzlich stehe ich zum Sparen – da soll es nicht gleich einen Aufschrei geben: Aber die Frage ist, spare ich in drei Jahren oder spare ich in vier Jahren  Das ist ein Riesenunterschied, weil dadurch habe ich wiederum ein gewisses Volumen für Investitionen offen.

AKTIV: Hat sich dazu etwas beim letzten Sozialministergipfel Mitte Juni getan?

BM Hundstorfer
: Ja, das war ein Thema, weil natürlich viele Länder das Problem haben, dass sie kaum eine Inlandsnachfrage haben, keine Steigerung der Inlandsnachfrage – und das braucht’s halt. Und wenn ich zum Beispiel bei Kleinsteinkommen oder bei kleineren Einkommen sage „Du hast jetzt um 40 Euro mehr zur Verfügung pro Monat“ – dann landen die 40 Euro nicht im Sparstrumpf (lacht), die 40 Euro landen sofort im Konsum, was gut ist. Soll ja auch so sein.

AKTIV: Wie stehen Sie zu einer anderen Verteilung der vorhandenen Arbeit, z.B. über eine generelle Reduktion der Wochenarbeitszeit und eine deutliche stärkere Besteuerung von Überstunden u.ä.?

BM Hundstorfer: Grundsätzlich haben wir ja, wenn man hinter die Kulissen schaut, jetzt schon eine Mischung. Wir haben eine Million, die arbeitet Teilzeit, wir haben so 800.000, die sind bei einer 38-Stunden-Woche, und der Rest hat eine Normalarbeitszeit von 40 Stunden. Die Überstunden selber sind ja in Wahrheit nur im Ausmaß der ersten zehn steuerlich begünstigt, alles, was danach ist, ist eh voll besteuert.
Was mir schon Sorgen macht, ist, dass es uns nicht gelingt, von dieser hohen Zahl der Überstunden herunterzukommen, weil wir haben ja ein paar Hundert Millionen Stunden pro Jahr, die geleistet werden – das sind nur die, von denen wir wissen.
Und da geht’s natürlich darum, wie kann man hier einen Teil abbauen, und vor allem jene Überstunden abbauen, die regelmäßig von Haus aus inkludiert sind. Wo du ganz genau weißt, wenn ich dort arbeite, in der Firma oder in dem Sektor, hab’ ich 20 Überstunden. Wie kann man da was abbauen? Das ist schon ein Ziel, aber ich kann nicht – das ist jetzt nicht resignativ gemeint –aber ich kann nicht gesetzlich sagen, „So, jetzt streichen wir’s!“. Was ich schon unterstütze, ist, dass wir hier zu einem Abbau dieser hohen Zahl von Überstunden kommen, und dass es möglich sein sollte, einen Teil dieser Überstunden in neue Dienstposten oder in Arbeitsplätze umzuwandeln.

AKTIV: Wie könnte das konkret gehen?

BM Hundstorfer
: Indem sich alle gemeinsam einen Ruck geben – das kann man nur Firma für Firma machen – und sagen „Bitte, wir haben jetzt beispielsweise jedes Monat 2.000 Überstunden, schauen wir zumindest, dass wir auf 600 runterkommen.“

AKTIV: Sie denken da an Betriebsvereinbarungen?

BM Hundstorfer: Das geht nur über Betriebe, ich kann per Gesetz nicht sagen, es dürfen nur mehr 30 Überstunden sein. Das geht nicht. Das wird auch nicht sein. Es gibt auch Sonderfälle, zum Beispiel im öffentlichen Sektor, etwa bei der Polizei. Ich möchte nicht wissen, was die Wiener Polizei im Juni an Überstunden zusammenbringt – Erdogan, Putin, Donauinselfest und, und, und.

Das Interview in voller Länge finden Sie hier