Alle 44 Re-Use Austria Mitglieder und rund ein Drittel der 200 arbeit plus Sozialen Unternehmen sind in der Kreislaufwirtschaft tätig. Sie bieten Re-Use-Sammlung, Vorbereitung zur Wiederverwendung, Altkleidersammlung und -verwertung, Secondhandverkauf, Sachspendenbewirtschaftung, Reparaturdienstleistungen, Räumungen, Grünraumbewirtschaftung oder Sammlung und Upcycling von Wertstoffen an. Von der Re-Use-Performance aller Re-Use-Betrieben Österreichs entfallen laut Hochrechnung von Re-Use Austria auf AMS-geförderte Sozialbetriebe ca. 57%, auf nicht vom AMS geförderte Sozialbetriebe 8%, auf private Textilsammler und einen privaten Bildschirmverwerter 33% und auf kommunale Re-Use-Betriebe 2%. Der gesamte österreichische Re-Use-Sektor konnte 2022 581.000 t CO2-Äquivalente einsparen, was den Emissionen von etwa 70.000 Österreicher:innen entspricht. Zum Vergleich: Das wären etwas mehr als die Emissionen der Einwohner:innen einer Stadt der Größe von Villach oder Wels. Mit einem Vergleich des Individualverkehrs betrachtet entspricht die Menge den Emissionen von 209.000 österreichischen PKWs. 54% dieser Leistung entfallen dabei auf RepaNet-Mitglieder.
Damit leisten Soziale Unternehmen neben ihrem arbeitsmarktpolitischen Auftrag in der zentralen Zukunftsbranche der Kreislaufwirtschaft einen wichtigen Beitrag zu ökologischer Nachhaltigkeit und sind mit ihrer Expertise im Bereich Re-Use ein zentraler Kooperationspartner der (Kreislauf)Wirtschaft. Gleichzeitig hat die Arbeit der Sozialen Unternehmen großes Potenzial für die Sensibilisierung benachteiligter Zielgruppen zu ökologischer Nachhaltigkeit.
Trotz dieser wichtigen Rolle und des Potenzials werden Soziale (Kreislaufwirtschafts)Unternehmen nach wie vor hauptsächlich von arbeitsmarktpolitischer Seite gesteuert, was – gegenteilig zu einer im Regierungsprogramm beabsichtigten Stärkung – aufgrund der derzeitigen Arbeitsmarktsituation aktuell zu einer massiven Schwächung führt.
Angesichts der aktuellen Herausforderungen ist es zentral, Arbeitsmarkt-, Sozial- und Klimapolitik gemeinsam zu gestalten und Soziale Unternehmen sowie arbeitssuchende und langzeitarbeitslose Menschen in Österreich in Bezug auf Klimaschutzmaßnahmen und Bildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen in dem Bereich systematisch teilhaben und beitragen zu lassen.
Um dies zu ermöglichen, fordern arbeit plus Österreich und Re-Use Austria:
1) Neues Fördermodell für Soziale Unternehmen in der Kreislaufwirtschaft;
2) Qualifizierungen in der Kreislaufwirtschaft / Green Jobs angepasst an die Bedürfnisse von langzeitarbeitslosen Menschen und solchen, die von LZAL bedroht sind;
3) Bevorzugte Beschaffung von Gebrauchtwaren und Vergabe von kreislaufwirtschaftlichen Leistungen wie insbesondere Textilsammlung und -verwertung an (gemeinnützige) Soziale Unternehmen, die ökologische und soziale Kriterien erfüllen.
1) Neues Fördermodell für Soziale Unternehmen in der Kreislaufwirtschaft (als 3. Säule neben AMS-Förderungen und Eigenerwirtschaftung)
Trotz der Verankerung des Vorhabens „Die Sozialökonomischen Betriebe in der Kreislaufwirtschaft zu stärken“, im aktuellen Regierungsprogramm und in der Kreislaufwirtschaftsstrategie, ist das nicht in der Praxis zu beobachten. Soziale Unternehmen in der Kreislaufwirtschaft bewegen sich zwar an der Schnittstelle zwischen BMAW und BMK, erhalten aber nach wie vor in erster Linie Förderungen vom AMS/BMAW mit einem klaren arbeitsmarktpolitischen Auftrag, ohne explizite klimapolitische Ziele. Aufgrund der verbesserten allgemeinen Arbeitsmarktsituation nach Covid sind die arbeitsmarktpolitischen Mittel gekürzt worden; gleichzeitig gibt es bislang keine zugängliche Förderung für Soziale Unternehmen aus dem Klimaschutzressort. Statt einer Stärkung der SÖBs hat also de facto eine Schwächung stattgefunden. Wenn Soziale Unternehmen im Re-Use, Upcycling und Recycling Sektor Betriebe schließen müssen, gefährdet das nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz in Österreich und europäische Zielvorgaben.
Kreislaufwirtschaft (inkl. in Sozialen Unternehmen) braucht ein Fördermodell, das
- gegenwärtige Wettbewerbsnachteile zirkulärer, materialstromreduzierender Geschäftsmodelle wie Re-Use und Reparatur verringert.
- neben Förderungen von klassischen Unternehmen besonders auch für gemeinnützige Soziale Unternehmen offen steht.
- Neben Forschung und Entwicklung mit Fokus auf Technologie auch erweiterte Forschung zu ökonomischen zirkulären Anreiz- und Steuerungssystemen zulässt und auch Marktkonsolidierungsförderungen für zirkuläre Geschäftsmodelle enthält. Aktuell fördert die FFG bspw. Forschung und Entwicklung im Bereich Technologie, ohne anschließende Marktkonsolidierung – mit der Folge, dass gute Ideen nach der Markteinführung nicht erfolgreich skaliert werden können.
Konkrete Idee „CO2 Bonus“ für Soziale Unternehmen analog zum Reparatur Bonus:
Da sich Re-Use derzeit nur in Nischen rechnet aber ein essenzieller Bestandteil von Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft ist, wird eine öffentliche Förderung benötigt, zumindest so lange, wie eine zu niedrige bzw. fehlende ökologische Besteuerung von Rohstoffen und Energie einen Wettbewerbsvorteil von Re-Use, Reparatur, Remanufacturing etc. im ökonomischen Mainstream verhindert. Analog zum Reparatur Bonus soll ein CO2-Use Bonus eingeführt werden, der den inländischen Re-Use-Output gemeinnütziger / karitativer Re-Use-Organisationen, die unter die begünstigten Organisationen des § 23 des Bundesvergabegesetzes fallen, mit z.B. einem Euro pro Kilogramm verkaufter bzw. weitergegebener Re-Use-Ware fördert. Soziale Unternehmen leisten den Mehrwert der Arbeitsintegration, ein Re-Use-Bonus kann zur Eigenerwirtschaftung beitragen und den bisher ausschließlichen arbeitsmarktpolitischen Förderauftrag durch einen kreislaufwirtschaftlichen Förderauftrag erweitern.
2) Qualifizierungen in der Kreislaufwirtschaft / Green Jobs angepasst an die Bedürfnisse von langzeitarbeitslosen Menschen und solchen, die von LZAL bedroht sind
Angesichts der Klimakrise und der Veränderungen am Arbeitsmarkt ist es essenziell, Vorrang für ökologisch, regional und sozial wirksame Jobs und Qualifizierungen zu geben und sie in Kooperation mit Sozialen Unternehmen umzusetzen um gezielt benachteiligte Gruppen in Klimaschutzmaßnahmen zu involvieren. Auch die EU-Kommission betont in ihrem im März 2020 veröffentlichten Circular Economy Action Plan die Rolle der Sozialen Unternehmen: „Das Potenzial der Sozialwirtschaft‚ die eine Vorreiterrolle bei der Schaffung von Arbeitsplätzen mit Bezug zur Kreislaufwirtschaft spielt, wird durch den beiderseitigen Nutzen aufgrund der Unterstützung des grünen Wandels und der Stärkung der sozialen Inklusion, insbesondere im Rahmen des Aktionsplans zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte, noch stärker genutzt.“
Konkrete Idee: Ausweitung von Qualifizierung in geförderter Beschäftigung:
Es braucht die Förderung und Ausweitung von Teilqualifizierungen & Qualifizierungen in geförderter Beschäftigung und die Aufnahme von Qualifizierung in Umweltberufen als Erfolgsfaktor in SÖBs/GBPs.
3) Bevorzugte Beschaffung von Gebrauchtwaren und Vergabe an (gemeinnützige) Soziale Unternehmen, die ökologische und soziale Kriterien erfüllen
Um die Kreislaufwirtschaft voranzubringen, sind dringend Neuproduktion zu reduzieren sowie zusätzliche Materialströme zu verhindern. Das kann durch bevorzugte Beschaffung von Gebrauchtwaren erfolgen. In der öffentlichen Beschaffung muss es eine klare Hierarchie „Reparatur vor Gebraucht-Kauf vor Neukauf“ geben, dies insbesondere im Bausektor, Mobilität, Infrastruktur, Berufskleidung, Büroausstattung, Elektrogeräte. In diesem Bereich können Soziale Unternehmen in Kooperation mit privatwirtschaftlichen Unternehmen gezielt in arbeitsintensivere Prozesse eingebunden werden. Das derzeit bekannteste Beispiel dazu ist „BauKarussell“, wo Soziale Unternehmen in einen hochkomplexen Prozessablauf eingebunden werden, ohne selbst in direkten Wettbewerb zu treten. Voraussetzung dafür sind lediglich der entsprechende Wille der ausschreibenden Stelle (z.B. öffentlicher oder gemeinnütziger Bauträger) und eine flexible und mittelfristige Planbarkeit von Personalkapazitäten in Sozialbetrieben – diese wiederum erfordern entsprechend angepasste Fördermodelle.
Der zweite wichtige Bereich ist die Vergabe der Sammlung und Verwertung der Altkleidersammlung durch die dafür zuständigen kommunalen Gebietskörperschaften, die insbesondere ab 2025 aufgrund neuer gesetzlicher Vorgaben verstärkt in den Fokus rücken wird. Aktuell wird etwa die Hälfte der österreichischen Altkleidersammlung von Sozialbetrieben durchgeführt, fast alle davon sind AMS-gefördert.
Um das Geschäftsfeld der Kreislaufwirtschaft in Sozialen Unternehmen zu stärken, wäre hier bei entsprechenden öffentlichen Beschaffungs- bzw. Vergabevorgängen die Anwendung der „vorbehaltene Vergabe“ nach BvergG § 23 unbedingt wünschenswert.
Konkrete Idee: Quote für vorbehaltene Vergabe nach BvergG §23 bei Erfüllung sozialer und ökologischer Kriterien
Durch die Verknappung aller Ressourcen weltweit sind alle Unternehmen, welche eine Ökologisierung der Märkte vorantreiben, bei Vergaben der öffentlichen Hand besonders zu berücksichtigen. Zur Stärkung von Sozialen Unternehmen im Re-Use Sektor ist von einer vorbehaltenen Vergabe Gebrauch zu machen. Bei der Bewertung der Qualität von Angeboten können so soziale Aspekte wie die Beschäftigung von Menschen, die mit strukturellen Diskriminierungen am Arbeitsmarkt konfrontiert sind, belohnt werden.
Rückfragehinweis:
Sabine Rehbichler
Geschäftsführung
arbeit plus – Soziale Unternehmen Österreich
sabine.rehbichler@arbeitplus.at
+43 699 11 40 57 65
www.arbeitplus.at