Kommentar: Warum der 12-Stunden-Tag eine Sackgasse ist

Arbeitgeber*innen vs Arbeitnehmer*innen – das Match um die Ausweitung der Arbeitszeit scheint zwei klare Seiten zu kennen. Doch der Schein trügt! Denn wir, das Netzwerk von 200 Sozialen Unternehmen in Österreich stehen dem nun vorgelegten Gesetzesentwurf zur Ausweitung der Höchstarbeitszeit auf 12-Stunden sehr skeptisch gegenüber. Wir sind gemeinnützige Unternehmen, die seit über 30 Jahren langzeitarbeitslose Menschen durch Qualifizierung, Beratung und Beschäftigung auf ihrem Weg zurück ins Erwerbsleben unterstützen. Jedes Jahr finden in unseren Unternehmen 30.000 Menschen Beschäftigung. Wir denken gemeinnützig und handeln wirtschaftlich.

Arbeitsmarkt schließt immer mehr aus

Soziale Unternehmen sehen tagtäglich, welche negativen Auswirkungen lange Arbeitslosigkeit auf Menschen hat. Wir sehen aber auch, dass immer mehr Menschen mit den Anforderungen am Arbeitsmarkt, und dazu gehören längere und dichtere Arbeitszeiten, nicht mehr mithalten können. Arbeitslosigkeit trifft dabei mittlerweile nicht nur Menschen mit (formal) geringer Qualifizierung, sondern immer öfter auch junge Menschen, Akademiker*innen und Frauen, die nach einer Pause wieder eine Beschäftigung suchen. Auch immer mehr Menschen mit (chronischen) gesundheitlichen Einschränkungen werden von diesem Arbeitsmarkt de facto ausgeschlossen.

Teilhabe durch gute Erwerbsarbeit

Wir sind davon überzeugt, dass gute Erwerbsarbeit neben ökonomischer Unabhängigkeit, auch gesellschaftliche Teilhabe bietet. Wir sind aber auch davon überzeugt, dass Arbeit mehr als Erwerbsarbeit bedeutet: Wer Angehörige pflegt, ein Kind betreut, den Haushalt organisiert, Freiwilligenarbeit leistet oder sich selbst weiterbildet, weiß, dass das Arbeit ist. Diese „unbezahlte“ Arbeit, die zum großen Teil von Frauen* geleistet wird, ist gesellschaftlich ebenso notwendig wie sinnvoll. Als Netzwerk Sozialer Unternehmen setzen wir uns deshalb für eine Neudefinition, Neuverteilung und Neubewertung von Arbeit ein. Wir sind als Soziale Unternehmen zutiefst davon überzeugt, dass ein gutes und gesundes Leben Raum und Zeit für all diese Formen der „Arbeit“ ermöglichen muss.

Wir wissen aus unserer 30-jährigen Erfahrung auch, dass betriebliche Erfordernisse punktuell längere Arbeitszeiten notwendig machen. Mit Planung und mit Einbeziehung der Mitarbeiter*innen auf Augenhöhe, können diese Spitzen aber bereits jetzt unter Einhaltung der gesetzlichen Regelungen gut abgedeckt werden. Aus unserer Sicht besteht daher keine Notwendigkeit, die Arbeitszeit auf 12 Stunden auszudehnen, vor allem dann nicht, wenn eine 11. und 12. Überstunde ohne Überstundenzuschlag einseitig abverlangt werden dürfen. Wir empfinden die aktuelle Diskussion als Sackgasse.

Breiter partizipativer Diskurs nötig

Viel notwendiger ist aus unserer Sicht ein breiter und partizipativer Diskurs darüber, welche neuen Wege und Arbeitszeitmodelle in einer modernen und immer digitaleren Arbeitswelt notwendig sind. Wie können wir Mitarbeiter*innen einbeziehen, Unternehmen und die Wirtschaft innovativ gestalten und dabei ein gutes und gesundes Leben für alle ermöglichen? In diesem Dreieck muss aus unserer Sicht eine zukunftsfähige Arbeitszeitpolitik gestaltet werden.

Für einen inklusiven Arbeitsmarkt für alle.