Vor den Vorhang: start2work legt Flüchtlingen Rutsche in den Arbeitsmarkt

Die erste Hürde ist geschafft: Muhammed mit seinem druckfrischen A2-Deutschzertifikat

Eigentlich hatte sich Muhammed Mrshan (24) sein Leben ganz anders vorgestellt. Als in seiner Heimat Syrien der Krieg ausbrach, gab es irgendwann nur noch eine Option: das eigene Land verlassen und in der Fremde ganz neu anfangen. Seit Herbst 2015 ist er in Österreich. Gemeinsam mit seiner Frau lebt er mittlerweile als anerkannter Flüchtling in Bregenz.

In Syrien arbeitete Muhammed als Maler und Installateur. Da es in Syrien kein vergleichbares Ausbildungssystem mit Lehren und entsprechenden Abschlüssen gibt, verfügt er über keinen Berufsabschluss. Der 24jährige ist deshalb froh über die vielfältige Unterstützung, die er bei start2work der Caritas Vorarlberg erhält: „Alleine ist es am Anfang schwer. Es wird leichter, wenn man die Sprache kann. Aber die Leute hier sprechen Dialekt, das ist auch schwer“, sagt er in erstaunlich gutem Deutsch. Stolz zeigt der junge Syrer denn auch sein frisch erworbenes A2-Deutschzertifikat in die Kamera.

Starthilfe auf drei Säulen

start2work ist ein Angebot der Caritas Vorarlberg (Start: Anfang 2016). Es richtet sich an bleibeberechtigte Flüchtlinge ab 19 Jahren, die über einen positiven Asylbescheid verfügen und Deutsch mindestens auf Sprachniveau A1 beherrschen. Das Angebot baut auf drei Säulen auf: einem elfwöchigen Kurs mit Gruppen- und Einzelcoachings sowie Arbeitspraktika, einem 8- bis 12-wöchigen Deutschkurs und einem Karrierecoaching für jene, die bereits eine geeignete berufliche Qualifikationen mitbringen und beispielsweise Hilfe bei der Nostrifizierung brauchen. Das Angebot von start2work ist modular aufgebaut, sodass die TeilnehmerInnen vom Team maßgeschneidert unterstützt werden können.

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“Wichtig ist es, die Flüchtlinge so früh wie möglich abzuholen”, ist Karoline Mätzler von der Caritas Vorarlberg überzeugt.

„Wichtig ist es, die Flüchtlinge so früh wie möglich abzuholen. Erfahrungsgemäß bringen die Frauen und Männer eine hohe Motivation mit, sich mit ihren Fähigkeiten einzubringen. Lange zum Nichtstun verdammt zu sein, tut keinem Menschen gut“, weiß Karoline Mätzler, die die Fachabteilung Arbeit und Qualifizierung der Caritas Vorarlberg leitet.

start2work-Stellenleiter Matthias Amann bestätigt: „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind in der Regel topmotiviert, tun alles, um einen Job zu finden.“ Auch wenn die Lage am Arbeitsmarkt angespannt ist, fänden sich laufend offene Stellen, für die motivierte MitarbeiterInnen gesucht würden, so Amann.

Engagierte Vernetzungsarbeit

"Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind topmotiviert", sagt Matthias Amann von start2work.
“Die TeilnehmerInnen sind topmotiviert”, sagt Matthias Amann von start2work.

Dass viele UnternehmerInnen interessiert sind, Flüchtlinge einzustellen, ist auch Ergebnis engagierter Beziehungs- und Vernetzungsarbeit. Mätzler: „Nicht alle Wirtschaftstreibenden sind frei von Vorurteilen. Wenn der Kontakt mit den Flüchtlingen einmal hergestellt ist, dann haben sich Vorbehalte aber rasch erledigt.“ Nicht nur auf UnternehmerInnenseite gilt es, bestehende Bilder zu hinterfragen. „Auch bei den Flüchtlingen braucht es manchmal einen Realitätscheck: Was ist realistisch? Was nicht?“, weiß Mätzler aus Erfahrung.

Heda Jusupowa (20), die einzige weibliche Teilnehmerin im Plan V-Kurs, weiß genau, was sie will: „Backen ist mein Hobby“, sagt sie. Vor einem Jahr ist sie mit ihren Eltern und drei Geschwistern von Tschetschenien nach Österreich geflüchtet. „In Österreich ist alles anders, man braucht für alles eine Ausbildung. In Tschetschenien ist eine Ausbildung nicht wichtig“, meint die junge Frau. Nun träumt Heda von einer Lehrstelle in einer Konditorei in Rankweil, wo sie derzeit auch lebt. Vorher möchte sie ihr Deutsch verbessern und mit Hilfe ihres start2work-Coaches eine Praktikumsstelle finden.

Der 27jährige Ahmad Azzam, der gemeinsam mit Muhammed und Heda im Plan V-Kurs sitzt, ist seit Anfang 2015 in Österreich. Der Kurs helfe ihm und den anderen dabei, Arbeit zu finden und „die Arbeitsregeln in Österreich besser zu verstehen“, betont er. Gut findet der junge Syrer, dass es hier, im Gegensatz zu seinem Heimatland, Arbeitsverträge und Sozialversicherung gibt. Ahmad hat Erfahrung als Koch gesammelt und verfügt über ein entsprechendes Berufszertifikat aus Dubai. Nun möchte er in einem Dornbirner Hotel ein Praktikum absolvieren.

Bemühen um Integration

Muhammed (l.) und Ahmad möchten so rasch als möglich in ihrer neuen Heimat Fuß fassen.

Auch Muhammed will so rasch als möglich Arbeit finden, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und seine Familie zu unterstützen. Seine Eltern sind noch im syrischen Aleppo, drei Geschwister leben in der Türkei. Später würde er gerne BWL studieren. Bei seinem Lokalaugenschein in der Fachhochschule Vorarlberg seien die Menschen sehr offen auf ihn zugegangen, erzählt er. Dort bemüht man sich um Integration, stellt mittlerweile auch landessprachliche Fachliteratur zur Verfügung. Beim Abschied liegt Muhammed noch etwas am Herzen: „Ich möchte in Zukunft der Gesellschaft in Österreich etwas zurückgeben“, sagt er.

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