Vor den Vorhang: Handwerkszeug für kulturelle Unterschiede

Seit 2008 integriert das Projekt Stützpunkt in Enns (OÖ) erfolgreich anerkannte Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt. Geschäftsbereichsleiter David See im Gespräch über Herausforderungen und Erfolgsrezepte

Was bietet Stützpunkt an ?

David See: “Die Kombination von Hingabe an die Sache und Professionalität kann viel bewirken”

“Unsere Angebotspalette reicht von Maler- und Trockenbauarbeiten über Renovierungen, Reinigungstätigkeiten bis zu Übersiedlungen und Entrümpelungen. Zu unseren Kundinnen zählen Privatpersonen, aber auch Firmen und öffentliche Einrichtungen im Großraum Enns-Linz-Steyr-Wels. Für die Stadt Enns reinigen wir beispielsweise den Stadtturm. Stützpunkt gibt es seit 2008, seit 2010 betreiben wir in Enns auch einen SOMA Sozialmarkt für Menschen mit geringem Einkommen.

Welche Menschen beschäftigen Sie?

Wir unterstützen anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär schutzberechtigte Menschen bei ihrer Integration in den Arbeitsmarkt. Ihre Ausgangslage bei der Arbeitssuche ist denkbar schwierig, in einem Land zu sein, dessen Sprache man kaum spricht und keine anerkannten Qualifikationen zu haben. Es geht uns darum, benachteiligten Menschen bessere Chancen zu verschaffen, Sprungbrett in den Arbeitsmarkt zu sein. Derzeit bieten wir 15 auf ein Jahr befristete Transitarbeitsplätze im Ausmaß von jeweils 30 Wochenstunden an. Die Frauen und Männer stammen aus den unterschiedlichsten Länder. Der überwiegende Teil findet danach eine fixe Arbeitsstelle.

Wie sieht die Unterstützung konkret aus?

Von den Arbeitsanforderungen her sind wir ein ganz normaler Betrieb, aber parallel unterstützen wir unsere Beschäftigten auch sozialpädagogisch. Das gibt ihnen die Möglichkeit, zu wachsen. Die Flüchtlinge lernen, sich selbst zu organisieren und in einem multikulturellen Team zu arbeiten. Personen in niedrig qualifizierten Jobs sind sehr oft konfrontiert mit Personen aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern. Da ist es wichtig, dass es nicht zu Konflikten kommt und mühsam gesuchte Jobs wieder verloren werden, weil den Beteiligten das Handwerkszeug für die kulturellen Unterschiede gefehlt hat.

Wo finden die Personen danach einen Job?
Das ist unterschiedlich und geht vom Tankstellenshop in Steyr über regionale Gärtnerei- und Gastronomiebetriebe bis hin zu heimischen Supermärkten oder Elektrikerbetrieben. Unsere guten Kontakte zu den regionalen Wirtschaftsbetrieben und das System der Arbeitskräfteüberlassung helfen natürlich sehr bei der Jobvermittlung.

Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?

Ich würde sagen, ein engagiertes Team, das im Job total aufgeht und sehr viel Erfahrung in dem Bereich hat. Die Kombination von Hingabe für die Sache und Professionalität kann, wie wir sehen, sehr viel bewirken und ist etwas ganz Besonderes. Es unterscheidet uns von anderen Unternehmen, dass wir so individuell auf die Beschäftigten eingehen.

Was braucht man für Ihren Job?

Ich denke, man muss in dem Job lernen, Sachen offen zu lassen, nicht zu werten, nicht sofort zu interpretieren. Bei mir hat sich beispielsweise ein junger Afghane beworben, der mir während des gesamten Gesprächs nicht ins Gesicht geschaut hat. Das kommt vielleicht aus unserer Sicht als respektlos rüber, ist aber das genaue Gegenteil. Denn in der afghanischen Kultur ist das ein Zeichen von Respekt. Es wäre sogar respektlos, wenn man einem Vorgesetzten direkt ins Gesicht schaut. Das ist nur ein Beispiel von hunderten.

 Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Aufgrund der aktuellen Situation ist es wichtiger denn je, dass es nachhaltig wirkende Unterstützungsmaßnahmen für anerkannte Flüchtlinge gibt. Ich sehe, dass der ganzheitliche Ansatz mit Arbeitstraining, sozialpädagogischer Unterstützung und kulturellem Lernen funktioniert. Ich sehe, was wir alles bewirken können. Deshalb wünsche ich mir, dass wir weiterhin für unsere Zielgruppe da sein können.

Und was ist dazu Ihrer Meinung nach nötig?

Erst einmal, dass AMS und Land OÖ unser Projekt weiterhin mitfinanzieren. Und viele Personen, die in diesem Bereich arbeiten wollen und Freude daran haben, jeden Tag mit diesen Menschen zu arbeiten. Die das nicht als Mühe sehen, sondern einfach Spaß daran haben.