Wird es am Arbeitsmarkt insgesamt eng, haben Menschen mit Beeinträchtigungen kaum noch eine Chance auf einen Job. Eine Tagung von „Chance B“, einem Sozialen Unternehmen im steirischen Gleisdorf, beschäftigt sich deshalb am 24. Juni mit der Frage, wie die Arbeitsintegration von Menschen mit Beeinträchtigungen gelingen kann. bdv austria sprach mit Chance B-Geschäftsführerin Eva Skergeth-Lopič über Herausforderungen und notwendige Veränderungen in Gesellschaft und Politik.
Frau Skergeth-Lopič, Sie nutzen das 25-jährige Jubiläum Ihres Sozialökonomischen Betriebs zu einer Fachtagung zur Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Beeinträchtigungen. Warum eigentlich?
Eva Skergeth-Lopič: Die Chance B in Gleisdorf hat es sich zur Aufgabe gemacht, benachteiligten Menschen in der Oststeiermark von der Kindheit bis zum Alter zur Seite zu stehen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine Arbeit die individuelle Selbstständigkeit enorm stärkt. Deshalb ist es für uns ein zentrales Anliegen, behinderte, langzeitarbeitslose, ältere oder auch wenig ausgebildete Menschen zu qualifizieren bzw. sie bei der Jobsuche zu unterstützen.
Beeinträchtigungen sind übrigens keineswegs ein Minderheitenphänomen. Laut einer Studie der Statistik Austria ist jede zweite Person im Erwerbsalter zwischen 15 und 64 Jahren im Laufe des Lebens mindestens einmal und mindestens ein halbes Jahr lang gesundheitlich beeinträchtigt. Trotzdem findet das Thema wenig Beachtung. Mit unserer Tagung wollen wir das in die Öffentlichkeit tragen.
Wie stehen derzeit die Chancen für Menschen mit Beeinträchtigungen, einen Job zu finden?
Eva Skergeth-Lopič: Ist der Druck am Arbeitsmarkt insgesamt stark, sinken die Chancen von benachteiligten Menschen noch ungleich stärker. In der Steiermark ist beispielsweise die Arbeitslosigkeit bei behinderten Menschen doppelt so hoch wie bei nicht behinderten. Von Chancengleichheit sind wir also weit entfernt.
Was ist aus Ihrer Sicht notwendig, damit sich die Chancengleichheit in Zukunft erhöht?
Eva Skergeth-Lopič: Aus unternehmerischer Sicht ist es das Um- und Auf, attraktive und gefragte Produkte und Dienstleistungen zu einem fairen Preis anzubieten. Nur dann können wir als Soziale Unternehmen Arbeitsplätze schaffen. Menschen mit Beeinträchtigungen brauchen aber eine gute, sozialpädagogische Begleitung, damit sie stabil bleiben und gut arbeiten können. Viele Jahre gab es in der Steiermark einen Rechtsanspruch auf eine solche Begleitung. Mit der jüngsten Gesetzesänderung des Landes ist er aber wieder weggefallen. Das macht es Sozialen Unternehmen nicht gerade leicht. Von den Gemeinden wünschen wir uns, dass sie dazu beitragen, unsere Auftragslage zu sichern.
Sind nicht auch die Unternehmen in punkto Beschäftigung behinderter Menschen zum Umdenken aufgefordert?
Eva Skergeth-Lopič: In unserer sehr ländlichen oststeirischen Region sind vor allem Klein- und Mittelbetriebe tätig. Unserer Erfahrung nach sind viele sehr offen dafür, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen. Viele Betriebe tun mehr, als sie müssten. Aber die Lohnkostenzuschüsse des Landes wurden gestrichen und die Lohnförderungen des Bundes gekürzt. Außerdem fehlt auch hier ein Rechtsanspruch. Da können es sich viele Kleinunternehmen auch bei bestem Willen nicht leisten, behinderte Menschen anzustellen.
Ein Workshop Ihrer Tagung beschäftigt sich mit der Notwendigkeit nach geförderten Dauerarbeitsplätzen…
Eva Skergeth-Lopič: In der „Hausmasters Dienstleistungs GesmbH.“, einem Unternehmen der Chance B-Gruppe, beschäftigen wir dauerhaft 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 46 davon haben eine Behinderung. Aber wir sind die einzigen weit und breit und auch hier wackeln die Förderungen immer wieder. Generell fehlt in Österreich ein sogenannter Dritter oder Erweiterter Arbeitsmarkt völlig. Dabei würde ein solcher aus mehreren Perspektiven Sinn machen: Die Menschen verdienen ihr eigenes Geld, sichern sich ihren eigenen Pensionsanspruch. Irgendetwas kann jeder gut – auf das geeignete Umfeld und die geeignete Begleitung kommt es an. Wir haben unser Portfolio ausgehend vom Können der Menschen entwickelt.
Was wünschen Sie sich persönlich zum Geburtstag der Chance B?
Eva Skergeth-Lopič: Ich wünsche mir, dass wir konzentriert auf das Wesentliche arbeiten können. Schließlich geht es im Kern darum, dass jeder Mensch seine Motivation findet, sein Potential erkennt, seine Arbeitsfähigkeit stärkt und schließlich einen Arbeitsplatz findet, auf dem er oder sie gut arbeiten kann. Das bedeutet, dass wir gesicherte Rahmenbedingungen brauchen.
Infos zur Tagung “Chancenlos trotz Chancengleichheit” finden Sie hier