Manuela Vollmann im Sommergespräch: “Mich beschäftigt die Generationenfrage”

Sie sind seit 2002 Obfrau bzw. Vorstandsvorsitzende von bdv austria/arbeit plus. Was hat Sie motiviert, diese Funktion zu übernehmen?

Ich sehe es als eine sehr notwendige, aber auch sehr reizvolle Herausforderung, gemeinsam mit dem Vorstand die Rahmenbedingungen für Soziale Unternehmen mitzugestalten und neue Wege in der Wirtschaft und Gesellschaft aufzuzeigen – auf Augenhöhe mit der Politik und dem AMS. Und: Wenn frau schon kritisiert, dass so viel mehr Männer als Frauen Führungsaufgaben wahrnehmen, dann sollte frau auch Ja sagen, wenn sich die Möglichkeit zu einer verantwortlichen Position ergibt.

Sie sind selbst Unternehmerin, haben 1992 das abz*austria, ein Social Profit-Unternehmen für Gleichstellung am Arbeitsmarkt gegründet. Warum?

Im Wiener Stadtgebiet „Am Schöpfwerk“ waren viele Familien von Delogierungen bedroht, auch Frauen mit Kindern, weil die BewohnerInnen die Miete nicht bezahlen konnten. Die Politik suchte Lösungen und es wurde rasch klar, dass die Frauen Geld verdienen mussten. abz*austria startete damals mit Projekten rund ums Arbeiten und Lernen und bezog Profitunternehmen als Kooperationspartner mit ein. Hauptzielgruppe waren Wiedereinsteigerinnen. Dieser Begriff, auch der ganze Zugang, waren damals ganz neu. Benachteiligten Frauen eine existenzsichernde Arbeit zu ermöglichen, ist mein Lebensthema geworden.

Manuela Vollmann: “Soziale Unternehmen werfen wichtige Fragen auf”

Was macht für Sie den Unterschied zu einem Profit-Unternehmen aus?

Selbstverständlich haben wir Anforderungen wie Profit-Unternehmen, zum Beispiel klare Leistungs- und Erfolgsziele, die erreicht werden müssen. Aber Soziale Unternehmen haben den Anspruch, gesellschaftliche Herausforderungen auch mit wirtschaftlichen – neben den politischen – Ansätzen zu bewältigen. Die Notwendigkeit zu Handeln entsteht durch gesellschaftliche Missstände und so werfen Soziale Unternehmen wichtige Fragen auf: Was muss passieren, dass Gendergerechtigkeit, Diversität, das Menschenrecht auf Arbeit, MitarbeiterInnenpartizipation etc. keine leeren Schlagworte bleiben? Parallel dazu muss auch innerhalb des eigenen Unternehmens eine Vorbildwirkung gelebt werden. So wird zum Beispiel bei abz*austria ein lebensphasenorientiertes Arbeitskonzept für alle MitarbeiterInnen angeboten.

Die angesprochene Lebensphasenorientierung leben Sie in Ihrem Unternehmen auch persönlich…

 Ja, im abz*austria teile ich die Geschäftsführung seit 18 Jahren mit meiner Kollegin im Top-Job-Sharing-Modell. Viele haben das anfangs seltsam gefunden. Doch Arbeit auch für Führungskräfte lebensphasenorientiert zu gestalten, ist – davon bin ich überzeugt – ein Zukunftsmodell. Bei abz*austria haben wir insgesamt 24 unterschiedliche Arbeitszeitmodelle für rund 130 MitarbeiterInnen.

Sie waren maßgeblich daran beteiligt, dass der Bundesdachverband für Sozialprojekte im Jahr 1998 in Bundesdachverband für Soziale Unternehmen umbenannt wurde. Was war der Hintergrund?

Ich fand, dass „Sozialprojekte“ nicht, oder nicht mehr zu uns passt. Ein Projekt hat meinem Verständnis zufolge einen Anfang und ein Ende, ist also eine zeitliche befristete Aufgabe. Unsere Mitglieder sind gemeinnützig, aber sie handeln gleichzeitig wirtschaftlich, sind also Unternehmen. Bei der Generalversammlung stellte ich dann den Antrag auf Namensänderung.

2016 kam es zu einer neuerlichen Namensänderung, nämlich in „arbeit plus- Soziale Unternehmen Österreich“ Was war der Hintergrund?

arbeit plus ist das Ergebnis eines intensiven, internen Markenprozesses. In diesem haben wir uns, begleitet von einer Agentur, wesentliche Identitätsfragen neu gestellt. Und ein Ergebnis war eben auch der neue Name.

Worauf sind Sie – für das Gesamte gesprochen – besonders stolz?

Es freut mich als Vorstandsvorsitzende, dass bei arbeit plus mittlerweile alle Bundesländer vertreten sind. Sie bringen sich ein und tragen dazu bei, dass die österreichweite Vernetzungs- und Lobbyinginstitution Gewicht hat.

Was ist Ihrer Meinung nach insgesamt heute die größte Herausforderung für arbeit plus und die in ihm vernetzen 200 Sozialen Unternehmen?

Derzeit beschäftigt mich sehr die Generationenfrage: Die Sozialen Unternehmen waren immer am Puls der Zeit, haben flexibel agiert und innovativ gedacht. Das ist auch heute so. Als Netzwerk geht es nun darum, uns auf die neuen Generationen von Social Entrepreneurs einzustellen. Die GründerInnen der neuen Start-ups lassen sich nicht in ein Schema pressen. Sie wollen gesellschaftlich etwas verändern, deshalb aber nicht unbedingt Nonprofit-Unternehmen führen. Wie können wir auch diesen UnternehmerInnen eine Plattform bieten? Hier Antworten zu finden, ist eine spannende Aufgabe und da freue ich mich darauf.