Sozialintegrative Vergabe als neues Instrument der öffentlichen Hand

Philipp Hammer ist bei arbeit plus-Soziale Unternehmen Österreich für Grundlagenarbeit zuständig.

Am 17. April 2014 trat eine neue Richtlinie der Europäischen Union über die öffentliche Auftragsvergabe in Kraft. Mit ihr wird das Vergaberegime grundsätzlich ausgeweitet, jedoch berücksichtigt die Europäische Union die besondere Bedeutung der sozialen Dienstleistungen. Die Mitgliedstaaten erhalten großen Gestaltungsspielraum, um die sozialen Dienstleistungen nach ihren eigenen Regeln zu organisieren.

Erfolgreiche Vernetzung

arbeit plus hat sich in den vergangenen drei Jahren intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt und gemeinsam mit vier Dachverbänden aus dem Bereich der sozialen Dienstleistungen für eine sinn­volle Umsetzung der Vergaberichtlinie in österreichisches Recht eingesetzt. Gemeinsam sollte sichergestellt werden, dass soziale Dienstleistungen auch weiterhin in hoher Qualität und Kontinuität durch regional verankerte und – im Idealfall – gemeinnützige Organisationen erbracht werden können und andererseits Bewusstsein dafür geschaffen wird, dass öffentliche Aufträge ein politisches Instrument sein könnten, um die Beschäftigung benachteiligter Menschen zu fördern. Österreich ist bei der Umsetzung der EU­-Richtlinie säumig.Ein Vertragsverletzungsverfahren läuft bereits. Wird der Gesetzesvorschlag endlich verabschiedet, ergeben sich neue Chancen.

Aufträge zur sozialen und beruflichen Integration

Schon unter dem alten Vergaberecht war es möglich, Aufträge gezielt für geschützte Werkstätten oder integrative Betriebe zu reservieren. Diese Regelung wird mit dem neuen Vergaberecht ausgeweitet, sodass in Zukunft alle Unternehmen teilnehmen können, „deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderung oder von sonstigen benachteiligten Personen“ ist. Konkret genannt werden in den Erläuterungen zum Gesetzestext neben Menschen mit Behinderung auch Arbeitslose, Asyl­ & subsidiär Schutzberechtige oder Angehörige benachteiligter Minderheiten. Um an solchen Auftragsvergaben teilnehmen zu können müssen – neben dem genann­ten Unternehmenszweck – zumindest 30 Prozent der MitarbeiterInnen des Unternehmens „benachteiligte ArbeitnehmerInnen“ sein.

Damit wird diese Regelung auch für Soziale Unternehmen wie Sozialökonomische Betriebe oder Gemeinnützige Beschäftigungsprojekte relevant. Mit Inkrafttreten des neuen Vergabegesetzes können öffentliche AuftraggeberInnen bei jedem einzelnen Auftrag entscheiden, ob sie die Vergabe als arbeitsmarkt­ & sozialpolitischen Hebel nutzen möchten. Denn durch die Beauftragung von Sozialen Unternehmen könnten zahlreiche Arbeitsplätze für am Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen geschaffen werden.

Förderverträge weiterhin möglich

Mindestens genauso wichtig wie diese zusätzlichen Möglichkeiten für die Sozialen Unternehmen ist eine Klarstellung in den Erläuterungen zum neuen Vergaberecht: Alternative Formen zur Organisation und Finanzierung sozialer Dienstleistungen wie z.B. Förderverträge fallen nicht unter das Vergaberecht und sind damit weiterhin möglich. Dies ist wichtig, um die hohe Qualität und die bestehenden Strukturen im Bereich der sozialen Dienstleistungen weiterhin garantieren zu können.

Vergabepolitik statt Vergaberecht

Das neue Vergaberecht ist eine wichtige Chance, um Vergabepolitik zu machen. Es liegt nun am Bund, den Ländern und den Gemeinden, ob sie die Vergabe öffentlicher Aufträge als Hebel nutzen wollen, um arbeitsmarktpolitische, sozialpolitische oder auch gleichstellungsorientierte Ziele zu fördern.

Dieser Text ist als Gastbeitrag in Arbeitsmarktpolitik Aktiv 01/2017, dem arbeitsmarktpolitischen Magazin von arbeit plus Wien erschienen.