Nachlese Innovation Lab: Kreislaufwirtschaft und Öffentliche Vergabe

Am Dienstag, 9. Juni 2020, 16:00 – 18:00 fand das arbeit plus Innovation Lab als Online-Format zum Thema Kreislaufwirtschaft und Öffentliche Vergabe – Neue Chancen für Soziale Unternehmen statt.

Die arbeit plus Innovation Labs verstehen sich als offene Denk- und Experimentierräume zu Arbeit und Arbeitsmarktpolitik. Wir wollen gerade in diesen herausfordernden Zeiten Akteur*innen vernetzen, Denkanstöße geben und Wissen zugänglich machen. Das nächste Innovation Lab führt zwei Themen, die bereits seit geraumer Zeit auf den Agenden der Sozialen Unternehmen im Netzwerk von arbeit plus stehen, zusammen: 

„Kreislaufwirtschaft“ und „Öffentliche Vergabe“ sind zukunftsweisende Inhalte, die zum einen die Arbeit vieler Sozialer Unternehmen prägen und zum anderen in einer Kombination neue Chancen eröffnen. 

Nach einer Begrüßung durch arbeit plus Vorstandsmitglied Peter Ruhmannseder (arbeit plus Salzburg) und einer kurzen Einleitung durch arbeit plus Geschäftsführerin Schifteh Hashemi berichtete Matthias Neitsch, Geschäftsführer von RepaNet über Kreislaufwirtschaft als nachhaltiges, zukunftsfähiges Modell.

Rechtsanwalt und Vergabe-Experte Dr. Stefan Hornung gab Einblicke in das aktuelle Vergaberecht und die damit einhergehenden Chancen für Soziale Unternehmen. 

AQUA Mühle Vorarlberg Geschäftsführer Florian Kresser ergänzte mit den positiven Erfahrungen des Sozialen Unternehmens in diesem Kontext. 

in Kooperation mit arbeit plus Salzburg 

Spannendes Rollenspiel zur öffentlichen Beschaffung beim Social(i)Makers-Treffen

Jedes Jahr vergeben öffentliche Auftraggeber*innen in Europa Aufträge in Milliardenhöhe. Die EU-Vergaberichtlinie hat den Spielraum geschaffen, neben den Preis (Billigstbieter-System) auch gesellschaftspolitische Kriterien wie die Beschäftigung von am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen – (Bestbieter-System) heranzuziehen. Beim Treffen der Social(i)Makers, einem EU-Projekt zur Förderung sozialer Innovation, an dem auch arbeit plus und das Zentrum für Soziale Innovation (ZSI) beteiligt sind, haben sich im Social Impact Lab Berlin Ende Mai, Expert*innen aus ganz Zentraleuropa deshalb unter anderem über öffentliche Beschaffung von Sozialen Innovationen ausgetauscht. Besonders spannend war das Rollenspiel, in dem die Expert*innen die Herausforderungen und Perspektiven der unterschiedlichen Beteiligten öffentlicher Beschaffung selbst erleben konnten. Aus Österreich nahmen Felix Wohlgemuth und Judith Pühringer (arbeit plus), Peter Jakubitz  und Barbara Glinsner (ZSI) teil.

Gemischte Teams

Team beim Ausarbeiten der Ausschreibungsunterlage für einen wettbewerblichen Dialog

Gemischte Teams aus Mitgliedern des Political- bzw. des Technical Advisory Boards und externe Expert*innen spielten anhand eines realen Fallbeispiels für ein neues Kreativitäts-und Innovationszentrum in der Stadt Carpi (Region Modena, Italien) eine komplette Auftragsvergabe durch. Was sonst meist streng getrennt erfolgt (Auftraggeber*innen entwickeln und schreiben aus und Bieter*innen erstellen das Angebot auf diese Vorgabe hin) wurde hier mit wechselnden Rollen in drei Runden von beiden Seiten her „erfahren“.

Entwicklungsimpulse für Carpi

Konkret ging es darum, für die italienische Stadt Carpi einem interaktiven Prozess mit der Bevölkerung, den Bildungseinrichtungen und den Unternehmen ein Kreativitäts – und Innovationszentrum zu entwickeln. Bildungsferne und sozial benachteiligte Gruppen sollen hier ebenfalls miteingebunden werden und die Nutzer*innen der zu entwickelnden innovativen Lösungen sein. Carpi hat rund 71.000 Einwohner. Die Stadt ist ein lebendiges Zentrum der internationalen Modeerzeugung mit guten Ausbildungsangeboten, jedoch verändern sich die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Um seine Spitzenposition zu halten versucht die Stadt Entwicklungsimpulse zu setzen. Dazu soll ein nicht mehr gebrauchtes Industriegebäude am Rande der Stadt mit rund 2700 Quadratmeter Fläche genutzt werden.

Fruchtbarer Austausch

In der ersten Runde galt es, aus vier innovationsfördernden Vergabeverfahren das passende Vergabeverfahren auszuwählen: Vorkommerzielle Auftragsvergabe (PCP), Wettbewerblicher Dialog, Verhandlungsverfahren oder Innovationspartnerschaft. Zudem mussten die Eckdaten der Ausschreibung (Leistungen, Auswahl und Zuschlagskriterien und andere Rahmenbedingungen) festgelegt werden. In der zweiten Runde wurden dann auf diese Vorgaben hin von der jeweils anderen Gruppe Angebote entwickelt. Zum Abschluss wurden dann die Ergebnisse ausgetauscht und Vorschläge für die Stadt Carpi entwickelt:

Die vom Democenter-Sipe Foundation ausgezeichnet vorbereitete Case Study gab den Teilnehmer*innen guten Einblick in die unterschiedlichen Perspektiven eines Ausschreibungsverfahrens und erbrachte eine Fülle von Ideen für die Gestaltung der Ausschreibung der Stadt Carpi. Eine durchaus nachahmenswerte Vorgangsweise auch für den Zukauf innovativer sozialer Dienstleistungen.

Mehr Informationen zu Social(i)Makers unter:
http://www.interreg-central.eu/Content.Node/Social(i)Makers.html
facebook @socialimakers
twitter @SocialiMakers

Laufzeit: August 2017 – Juli 2020
Ansprechperson: Felix Wohlgemuth

Vergaberecht neu: Gesetz birgt enorme Chancen für langzeitarbeitslose Menschen

Am Montag, den 3. April endet die Begutachtungsfrist des neuen Gesetzesentwurfs, mit dem Österreich die EU-Vergaberichtlinie in nationales Recht gießen will. Konkret bestimmt das Vergaberecht die Regeln, nach denen die Öffentliche Hand Aufträge an Unternehmen und Organisationen vergibt.

Spielräume nutzen

„Das Gesetz birgt enorme Chancen für langzeitarbeitslose Menschen“, ist Judith Pühringer, die Geschäftsführerin von arbeit plus überzeugt. Denn mit dem neuen Regelwerk erhalten Bund, Länder und Gemeinden die Möglichkeit, öffentliche Aufträge für jene Unternehmen vorzubehalten, die gemeinnützig sind, mehr als 30 Prozent benachteiligte Menschen beschäftigen und deren Unternehmenszweck es ist, diese in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Pühringer: „Angesichts der dramatisch hohen Langzeitarbeitslosigkeit in Österreich hat der Gesetzgeber damit ein sehr wichtiges Signal gesetzt. Nun liegt es an allen Personen, die öffentliche Aufträge vergeben, darauf zu reagieren und diesen Spielraum zu nutzen.“

Nicht umgesetzt wurde bislang die Forderung von Sozialen Unternehmen und Anbietern Sozialer Dienstleistungen, analog zu den bereits verpflichtenden ökologischen Kriterien auch soziale Kriterien im Vergabeprozess festzuschreiben. Pühringer: „Die öffentlichen Auftraggeber können soziale Kriterien wie Arbeitsmarktintegration einbeziehen, müssen es aber nicht. Das ist aus unserer Sicht sehr schade. Wir hoffen, dass die Kommunen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen trotzdem Weitsicht beweisen und auf das Bestbieterprinzip setzen.“

arbeit plus ist das österreichweite Netzwerk von 200 Sozialen Unternehmen, die durch Beschäftigung, Beratung und Qualifizierung langzeitbeschäftigungslose Menschen auf dem Weg zurück ins Erwerbsleben unterstützen.

Stellungnahmen zum parlamentarischen Begutachtungsprozess

arbeit plus hat im Rahmen der parlamentarischen Begutachtung folgende Stellungnahmen zum Entwurf des Bundesvergabegesetzes 2017 (BVergG 2017) abgegeben:

 

EU-Vergaberichtlinie als Chance und Risiko

Mitte April 2014 trat die neue EU-Richtlinie zur öffentlichen Auftragsvergabe in Kraft. Nun liegt der Ball bei den EU-Mitgliedsstaaten, diese bis 18. April 2016 in nationales Recht zu gießen.

Soziale Dienstleistungen ticken anders als andere Dienstleistungen. Sie stellen Teilhabe an wichtigen Grundbedürfnissen wie Gesundheit, Wohnen, Bildung und eben auch Arbeit sicher. Das bedeutet eine besondere, öffentliche Verantwortung, die auch bei der Vergabe der Sozialen Dienstleistungen berücksichtigt werden muss.

Mitte April 2014 trat die neue EU-Richtlinie zur öffentlichen Auftragsvergabe in Kraft. Nun liegt der Ball bei den EU-Mitgliedsstaaten, diese bis 18. April 2016 in nationales Recht zu gießen. Mit der aktuellen Vergaberichtlinie hat die Europäische Union ihren Mitgliedern einen großen Freiraum gegeben, um die Vergabe Sozialer Dienstleistungen unabhängig von der Vergabe öffentlicher Aufträge zu organisieren.

bdv austria als Netzwerk der gemeinnützigen, arbeitsmarktintegrativen Sozialen Unternehmen setzt sich gemeinsam mit der Sozialwirtschaft Österreich sowie dabei-austria dafür ein, dass Soziale Dienstleistungen auch in Zukunft weitgehend aus dem Vergaberecht ausgenommen bleiben. Unabhängig von der Art der Beauftragung sollten weitere Kriterien sicherstellen, dass Erfahrung und Kontinuität in der Arbeit mit den Zielgruppen eine wichtige Rolle beim Zuschlag zukommt und allfällige Gewinne reinvestiert werden. An solchen Kriterien arbeiten wir gerade.

Auf die dargestellte Weise möchten wir sicherstellen, dass die Sozialen Dienstleistungen auch in Zukunft in der gewohnt hohen Qualität erbracht werden können und die öffentlichen Gelder auch tatsächlich im Interesse der betroffenen Menschen eingesetzt werden.

Enquete: Soziale Dienstleistung – Soziale Vergabe?

Soziale Dienstleistung – Soziale Vergabe? Unter diesem Titel veranstaltet der Dachverband Berufliche Integration (dabei-austria) am 1. April 2014 in Wien eine Enquete um die Rahmenbedingungen und Erfahrungen sowie die aktuellen Entwicklungen in der Vergabepraxis Sozialer Dienstleistungen zu diskutieren.

In drei inhaltlichen Blöcken werden diese Themen behandelt:

  • Rechtliche nationale und europäische Grundlagen, Begriffsbestimmung und Rahmenbedingungen (Sylvia Freygner, Franz Wolfmayr)
  • Vergabe Sozialer Dienstleistungen in der internationalen Praxis – Erfahrungen, Auswirkungen und Konsequenzen (Michael J. Evans, Huw Davis, Robert Elston)
  • Vergabepraxis der Sozialen Dienstleistungen in der Beruflichen Integration in Österreich – aktuelle Befunde und Forschungsergebnisse (Nikolaus Dimmel, Florian Schönthal-Guttmann)

Den Abschluss bildet ein Gespräch zum Thema „Strategien und Handlungsoptionen für die Vergabe sozialer Dienstleistungen in Österreich mit Robert Elston, Walter Marschitz, Marlene Mayrhofer, Manuela Vollmann und Franz Wolfmayr).

Das vollständige Programm und das Anmeldeformular kann auf der Website von dabei-austria heruntergeladen werden. Die Teilnahme an der Enquete ist kostenlos.

EU Vergabe-RL ermöglicht vorbehaltene Aufträge für Soziale Unternehmen

Am 15. Jänner 2014 stimmten die Abgeordneten des Europäischen Parlaments einer neuen Richtlinie für die Vergabe öffentlicher Aufträge zu. Soziale Unternehmen werden durch die neue Richtlinie eindeutig gestärkt, denn für einen Zuschlag ist nun nicht mehr ausschließlich der Preis, sondern das beste Verhältnis aus Preis und Leistung verantwortlich. Für soziale und ökologische Kriterien eröffnen sich im Vergabeprozess viele neue Möglichkeiten.

Soziale Kriterien als Zuschlagskriterien

In der neuen Richtlinie werden die Möglichkeiten für die Einführung von sozialen und ökologischen Vergabekriterien deutlich erweitert. Im Gegensatz zur bisherigen Richtlinie 2004/18/EG können nun bestimmte Produktionsmethoden (z.B. Arbeitsbedingungen) verlangt werden, selbst wenn diese zu keinem ersichtlichen Unterschied beim Produkt führen. Bisher war dies nur bei ökologischen Kriterien möglich (z.B. Strom aus erneuerbaren Energiequellen). Allerdings muss ein Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand gegeben sein. (Artikel 67)

Vorbehaltene Aufträge bei mehr als 30% benachteiligten ArbeitnehmerInnen

Schon bisher war es möglich bestimmte Aufträge für geschützte Werkstätten oder integrative Betriebe zu reservieren. Durch die neue Vergaberichtlinie wird diese Möglichkeit auch auf Soziale Unternehmen ausgedehnt, deren Ziel die soziale und berufliche Integration von benachteiligten Menschen ist und die mindestens zu 30% behinderte oder benachteiligte ArbeitnehmerInnen beschäftigen:

Artikel 20

Vorbehaltene Aufträge

1.  Die Mitgliedstaaten können das Recht zur Teilnahme an einem Vergabeverfahren geschützten Werkstätten und Wirtschaftsteilnehmern, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist, vorbehalten oder sie können bestimmen, dass solche Aufträge im Rahmen von Programmen mit geschützten Beschäftigungsverhältnissen durchgeführt werden, sofern mindestens 30 % der Arbeitnehmer dieser Werkstätten, Wirtschaftsteilnehmer oder Programme Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Arbeitnehmer sind.

2.  Im Aufruf zum Wettbewerb wird auf diesen Artikel Bezug genommen.

Umsetzung in nationales Recht erforderlich

Darüber hinaus finden sich noch einige weitere interessante Änderungen in der Richtlinie: Der Zuschlag im Vergabeprozess kann nun auch auf Grundlage des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses erfolgen. Neben dem Preis können auch die Qualität und die gesamten Lebenszykluskosten eines Produkts berücksichtigt werden – von der Entwicklung bis hin zur Entsorgung. Zudem können öffentliche AuftraggeberInnen nun Labels (wie Fair Trade) verlangen, um die Erfüllung sozialer oder ökologischer Kriterien nachzuweisen.

Um rechtswirksam zu werden benötigt die Richtlinie noch die Zustimmung des Rates der Europäischen Union (Ministerrat) – voraussichtlich wird dies im Februar geschehen. Danach haben die Mitgliedstaaten 24 Monate Zeit, um die europäische Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

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