Vor den Vorhang: „Jetzt seh ich wieder Licht am Ende des Tunnels“

Verkäuferinnen im HAI-Laden bei der Arbeit

Als Romana Kölbler (Name geändert) vor einiger Zeit von einem Journalisten gefragt wurde, wie sich drei Jahre Arbeitslosigkeit anfühlen, schnitt ihre Antwort ins Herz: „Man fühlt sich wie ein Wurm“, so die Salzburgerin. Nach einer Kochlehre und gesundheitsbedingter Umschulung zur Bürokauffrau fand sie mangels Praxis keinen Arbeitsplatz mehr. Dutzende Bewerbungen pro Monat und praktisch keine Antworten ließen die Zeit ergebnislos vergehen. Die Arbeitsmarktchancen verschlechterten sich zusehends. Nach drei Jahren ohne Arbeit, war ein Anschluss an die erfolgreich absolvierte Lehre als Bürokauffrau nicht mehr möglich. Für die Betriebe ist Frau Kölbler unattraktiv geworden. Ihre persönliche Situation war trist. Ohne Selbstbestätigung, vom Arbeitsmarkt, scheinbar nicht benötigt, zweifeln viele an den eigenen Fähigkeiten, verlieren letztlich den Lebensmut. Auch Frau Kölbler erging es so. An sehr dunklen Tagen fiel ihr sogar das Aufstehen schwer.

Wenn das Schicksal zuschlägt

Paradies für Schnäppchenjäger*innen: der Secondhand-Laden der Halleiner Arbeitsinitiative

„Anhand der Lebensgeschichte von Frau Kölbler sieht man, wie schnell man in eine dauerhafte Arbeitslosigkeit abgleiten kann, wenn das Schicksal zuschlägt“, sagt Michaela Gadermayr, die Leiterin der Halleiner Arbeitsinitiative (HAI): „Auch viele andere Faktoren können dazu führen. Wenn etwa Firmen zusperren, und man als langjährige Arbeitskraft auf bestimmte Tätigkeiten spezialisiert ist und zudem etwas älter, dann stehen die Chancen auf einen neuen Job schlecht.“ Auch gesundheitliche, familiäre, psychische oder sonstige Irritationen, können schnell dazu führen, dass man am beruflichen Abstellgleis landet.

Bunte Angebotspalette

Im Secondhand-Laden der Halleiner Arbeitsinitiative HAI in der Neualmerstraße 33 wandern Gebrauchtmöbel aller Art, Elektrogeräte, Hausrat, Fahrräder, Kinderartikel, Kleidung, Spielzeug zu Schnäppchenpreisen über den Ladentisch. Auch Entrümpelungen und Übersiedelungen gehören zur Angebotspalette des Sozialen Unternehmens. Langzeitarbeitslose Menschen erhalten auf diese Weise die Chance, aus dem gefährlichen Kreislauf zwischen Arbeitslosigkeit, schlechten Jobchancen, persönlichen Problemen, Existenzsorgen und wachsender Mutlosigkeit auszubrechen.

Tolle Jahresbilanz

57 Frauen und Männer hat die HAI allein im Vorjahr mit befristeten Dienstverhältnisse den Weg zurück ins Erwerbsleben geebnet. Die angestellten Personen hatten nicht nur wieder eine Arbeit, ein selbst erwirtschaftetes Einkommen, Tagesstruktur und erweiterte soziale Kontakte, sie erhielten dazu auch Hilfe bei der Planung ihrer weiteren beruflichen Zukunft und bei privaten Schwierigkeiten. Die Chancen, mithilfe der HAI in ein selbstbestimmtes Leben zurückzufinden, stehen gut: Mehr als die Hälfte der MitarbeiterInnen (59%) konnten 2016 wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden. Auch Romana Kölbler ist in der Halleiner Arbeitsinitiative sichtlich aufgeblüht und hat neuen Mut gefasst: Als nunmehrige Transitmitarbeiterin erwirbt sie im Halleiner Sozialen Unternehmen die fehlende Berufspraxis, außerdem macht sie eine Zusatzausbildung, um ihre Chancen am Arbeitsmarkt zu erhöhen. „Jetzt sehe ich wieder Licht am Ende des Tunnels“, sagt die Salzburgerin dankbar. Und: „Ich bin so froh, dass mir nun endlich jemand die Chance gibt zu zeigen, was ich kann.“

Vor den Vorhang: „Frauenförderung ist wichtiger denn je“

Frau Diethör, Sie haben 1995 die Frauenservicestelle Frau&Arbeit in Salzburg aufgebaut. Wie hat sie sich seitdem entwickelt?

Daniela Diethör: Damals, vor zwanzig Jahren, habe ich alleine begonnen. Mittlerweile ist das Team auf 23 fix angestellte Frauen angewachsen. Dazu kommen noch 20 Verwaltungsfachkräfte, für die Frau&Arbeit Anstellungsträger ist. Die Frauenservicestelle deckt heute eine sehr große Bandbreite an Anliegen ab, die Arbeit, Beruf und Rahmenbedingungen betreffen – mit speziellen Beratungen und Angeboten für Frauen in den unterschiedlichsten Lebenslagen: von der Sexarbeiterin über AlleinerzieherInnen, bildungsferne Personen, Akademikerinnen, Frauen über 45 bis hin zu Unternehmerinnen, Frauen in Führungspositionen und Frauen mit Migrationshintergrund. Und wir entwickeln unsere Angebote ständig weiter.

Sie sind auch Dienstgeberplattform?

Diethör: Ja, das ist ein Projekt, das sehr gut läuft. Die Erfahrung hat gezeigt, dass viele Direktorinnen und Direktoren an Salzburger Pflichtschulen überlastet sind, aber keine öffentlichen Planstellen zu ihrer Unterstützung vorgesehen sind. Frau & Arbeit fungiert hier im Auftrag des Landes als Dienstgeberplattform für administrative Assistentinnen im Schulbereich: Wir koordinieren Einstellung, Vertragsabwicklung und Lohnabrechnung, kümmern uns um Controlling der Arbeitszeiten und sind Informationsdrehscheibe für Fördergeber, Schulleitung und Assistentinnen. Aktuell sind 20 Frauen im gesamten Bundesland Salzburg beschäftigt.

Warum braucht es Ihrer Meinung nach frauenspezifische Beratungs- und Unterstützungsangebote?

Diethör: Weil Frauen ohne Frage nach wie vor gleich mehrfach benachteiligt sind: Sie verdienen oft um Etliches weniger als ihre männlichen Kollegen, und das zu einem Teil nur deshalb, weil sie Frauen sind. Sie werden schneller als „zu alt“ für den Arbeitsmarkt angesehen. Sie leisten den Großteil der unbezahlten Arbeit wie Kinderbetreuung oder Pflege und haben deshalb oft brüchige Erwerbskarrieren. Aus diesem Grund wiederum sind sie häufiger von Altersarmut betroffen. Freilich ist auch die Berufswahl von Frauen seit Jahren sehr einseitig. Aus diesem Grund zielen und zielten einige unserer Projekte darauf ab, mehr Mädchen und Frauen für Handwerk und Technik zu interessieren.

Haben sich die Problemfelder in den letzten 20 Jahren verändert?

Diethör: Ich würde sagen, die Themen sind seit den Anfängen zwar die gleichen geblieben, die Problemlagen haben sich aber massiv verschärft. So leiden heutzutage viele unserer Klientinnen an Burn-out oder Überlastungssyndromen. Angst und Unsicherheit sind oftmals Themen in unseren Beratungen; das rührt auch daher, dass die Lebenshaltungskosten viel stärker gestiegen sind als die Einkommen. Und: Je älter die Frauen sind, desto schwieriger wird es überdies, nach einem Jobverlust wieder Arbeit zu finden. Mein Eindruck ist: Die Frauen sind heute besser ausgebildet und bleiben kürzer bei den Kindern zu Hause als früher, sie tun sich aber dennoch schwerer, nach einer Berufspause wieder eine Stelle zu finden.

 

Stehen die Unternehmen nicht ebenfalls unter großem Druck?

Diethör: Ja, da haben Sie vollkommen recht. Die Wirtschaft im Bundesland Salzburg ist sehr klein strukturiert, über 80 Prozent der Unternehmen haben 0 bis 9 Mitarbeiter/innen. Für viele ist das Geschäft sehr hart. Dennoch glauben wir, dass motivierte und loyale MitarbeiterInnen, die sich in ihren Problemen und Anliegen im Betrieb unterstützt fühlen, zum Unternehmenserfolg beitragen. In den letzten Jahren haben wir zwei EU-Projekte abgewickelt: INTERREG-ProFiT und LEADER Work-Life-Coaching, in denen es um die Möglichkeit der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben in den Unternehmen ging. Vielfach sind es nicht kostenintensive Maßnahmen, sondern es geht schlicht um Bewusstseinsbildung und das Aufzeigen, dass auch Aktionen, die wenig kosten, viel bringen können: beispielsweise einige Arbeiten von Zuhause aus erledigen, Wasch- und Bügelservice im Hotel nutzen zu können, Sitzungen nicht abends anberaumen, flexible Arbeitszeitmodelle anbieten. Vieles kann sich ändern, indem man die Perspektive ändert.

Wie unterstützen Sie Frauen die am Arbeitsmarkt als „zu alt“ gelten – also für jene ab 45?

Diethör: Mit einem vom Land Salzburg geförderten Projekt, das auf die Zielgruppe 45+ zugeschnitten ist. Wir begleiten Frauen auf dem Weg zu einer neuen existenzsichernden Beschäftigung oder bei drohendem Arbeitsplatzverlust mit Einzelberatungen, Coachings, Workshops und der 7-teiligen Kompetenzbilanz (ein von Frau&Arbeit entwickeltes Tool). Den aktuellen Arbeitsmarkt können wir zwar nicht verändern, wir können unsere Kundinnen jedoch dabei unterstützen, ihre Kompetenzen, Potenziale und beruflichen Alternativen (wieder-)zuentdecken. Dadurch werden Resignation und Hilflosigkeit der Frauen langsam wieder zu neuem Vertrauen in sich selbst und die Arbeitssuchenden können bei potenziellen ArbeitgeberInnen selbstbewusst Werbung für sich, ihre Berufs- und Lebenserfahrung, ihre Zuverlässigkeit, Flexibilität, Freude am Lernen und anderes mehr machen. Für viele unserer Kundinnen ist das der Schritt in ein neues fixes Arbeitsverhältnis.

Wie erreichen Sie Frauen, die Ihre Unterstützung benötigen?

Diethör: Frau & Arbeit ist in der Stadt Salzburg bekannt, viele kommen durch Mundpropaganda oder auf Anraten des AMS und anderer KooperationspartnerInnen zu uns. Auf dem Land ist das oft schon schwieriger. Aus diesem Grund haben wir auch die mobile Beratung entwickelt: Im Flachgau und Tennengau kommen wir zu den Frauen, wir kooperieren hier mit den Gemeinden und regionalen NGOs. Zudem bilden wir Integrationslotsinnen aus, das sind Frauen mit Migrationshintergrund. Diese erreichen und informieren Frauen ihrer eigenen Herkunft in deren Sprache zu den Themen Arbeitsmarkt, Bildung und Gesundheit. Das klappt sehr gut. Und auf diese Weise erreichen wir Personengruppen, die wir sonst nicht erreichen würden. Information und Beratung ist ja oft der erste Schritt, damit sich konkrete Lebenssituationen verbessern.

Welche strukturellen Veränderungen sind Ihrer Meinung nach wichtig, damit sich die Lebensbedingungen von Frauen in Österreich insgesamt verbessern?

Diethör: Zunächst einmal muss die Einkommensschere geschlossen werden. Es kann nicht sein, dass in einer vergleichbaren Position Frauen weniger verdienen als Männer; Löhne und Gehälter müssen existenzsichernd sein. Außerdem brauchen wir meiner Meinung nach ein bedingungsloses Grundeinkommen. Entwürdigend ist, dass jemand, der Vollzeit arbeitet, sein Leben nicht finanzieren kann. Insgesamt beginnt die Chancenungleichheit aber schon beim Bildungssystem, das soziale Unterschiede eher einzementiert als ausgleicht. Aus diesem Grund bin ich persönlich eine Verfechterin einer qualitätsvollen Ganztagsschule. Letztendlich ist meiner Meinung nach aber eine Neubewertung von Arbeit in der Gesellschaft dringend notwendig, ebenso wie die Arbeitszeitverkürzung bei Lohnausgleich und eine Aufwertung von Teilzeitarbeit. Auch über die viele unbezahlte Arbeit, die überwiegend Frauen leisten, sollte gesprochen werden.

Vor den Vorhang: Schmankerl, die gleich doppelt gut tun

Mittwoch Mittag in der Glockengasse 10 in Salzburg-Schallmoos: Ein junger Mann mit kunstvollen grünen Strähnchen im Haar begrüßt freundlich die eintretenden Gäste. Ein paar Angestellte aus den umliegenden Betrieben verbringen im Selbstbedienungsrestaurant „Schmankerl“ gerade ihre Mittagspause – Tisch an Tisch mit vier SeniorInnen, denen ihr Essen sichtlich schmeckt.  Auf der Speisekarte stehen heute Schweinsbraten und Apfelstrudel mit warmer Vanillesauce – ein Fleischgericht und ein vegetarisches Angebot, wie jeden Tag, um knapp fünf Euro pro Portion.

„Wir haben einen doppelten Auftrag hier“, sagt Thomas Kemperling: „einerseits ein günstiges Essen zu bieten und gleichzeitig arbeitsmarktferne Personen dabei zu unterstützen, wieder beruflich Fuß zu fassen.“ Kemperling ist neben dem „Schmankerl“ für drei weitere Salzburger „SÖBs“ (Sozialökonomische Betriebe) zuständig: Gefördert vom AMS erhalten langzeitarbeitslose Menschen in diesen Unternehmen eine zweite Chance: Im Laufe der maximalen Beschäftigungsdauer von einem Jahr stehen den Betroffenen geschulte Fachkräfte bei beruflichen wie privaten Schwierigkeiten zur Seite. Die Probleme der arbeitslosen Menschen haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen, sind sich Kemperling und Personalberaterin Sonja Brötzner einig: „Früher hatten die Menschen Schulden, oder Wohnungsprobleme oder sie kamen nach einem Bandscheibenvorfall zu uns. Nun ist es oft alles gemeinsam.“ Zudem orten die beiden eine starke Zunahme von psychischen Belastungen: „Viele Menschen halten dem Druck am Arbeitsmarkt einfach nicht mehr stand.“

Schmankerlganz

Eine zweite Chance

Über 30 Menschen erhalten jedes Jahr im „Schmankerl“ eine zweite Chance, lernen wichtige Fertigkeiten in den Bereichen Küche, Service, Reinigung, Kasse und Lagerhaltung.  Seit September 2012 führt ein Teil des Schmankerl-Teams auch das Bistro der katholischen Privatschule St. Josef. Etwa 40 Prozent der befristeten Kräfte schaffen nach spätestens einem Jahr den Wiedereinstieg in den regulären Arbeitsmarkt. Für den Rest heißt es: Zurück in die Arbeitslosigkeit. Um den verbleibenden 60 Prozent eine nachhaltige Perspektive zu geben, bräuchte es laut Kemperling individuellere  Verweildauern sowie langfristige Angebote für jene, die den Anforderungen des Arbeitsmarktes einfach nicht (mehr) gewachsen sind.

Während die Mittagsgäste im Restaurant den nachmittäglichen Kaffeetrinkern gewichen sind, nimmt sich der junge Mann mit den grünen Strähnchen Zeit für ein kurzes Gespräch: „Ich fühle mich hier wirklich wohl“, bestätigt Nicolas T. (23, siehe Foto) den ersten Eindruck. Dass er vor drei Monaten noch zu schüchtern war, um fremde Menschen anzusprechen, mag man kaum glauben: „Ja, ich war sehr abgekapselt. Durch das Lob, das ich hier erhalten habe, hab ich aber stückchenweise entdeckt, was in mir steckt.“ Eine wichtige Lektion für einen, der nach einer abgebrochenen Lehre und einem schweren Schicksalsschlag in der Familie viel Unterstützung braucht, um wieder auf die Beine zu kommen.

Mehr auf www.esage.at/schmankerl

Wiederbelebungs-Station – neues Leben für alte Sachen

Das neue Kooperationsprojekt „Wiederbelebungsstation“ des sozialökonomischen Betriebes TAO & ModeCircel mit der Stadt Salzburg wird ab sofort die Wiederverwendung von gebrauchten aber noch gut erhaltenen Altwaren erleichtern. Salzburgerinnen und Salzburger sind eingeladen, beim Recyclinghof noch gut erhaltene Gebrauchtwaren für die weitere Verwendung abzugeben. Die Station ist nun ein fixer Bestandteil des Recyclinghofes und mit einem Transparent gekennzeichnet.

Vor dem Recycling kommt das Wiederverwenden

Sie haben es schon erlebt? Sie brauchen etwas nicht mehr, aber es wäre noch zu gebrauchen und zum wegwerfen ist es einfach zu schade. Nutzen Sie daher unser Angebot zum „Wiederbeleben“ alter Sachen. Der Salzburger Recyclinghof wird damit zu einer Abgabestelle für Gebrauchtwaren, nicht zum Flohmarkt! Die Gebrauchtwaren werden vom Fachpersonal auf ihre Wiederverwendbarkeit geprüft. Bei Elektrogeräten erfolgt zudem eine Sicherheitsprüfung nach ÖVE/ÖNORM E 8701-1.

TAO & ModeCircel wird die gut erhaltenen Gebrauchtwaren anschließend in seinen vier Second-Hand-Shops anbieten. Weitere Informationen zum Projekt finden Sie in diesem Folder.