Urlaub plus

Jugendgästehaus Ulrichsberg

Die Ferien stehen vor der Tür und längst schon sind es nicht mehr die Kreuzfahrt auf dem Traumschiff, Flugreisen in möglichst entfernte Winkel der Erde oder unzählige Stunden im Stau in brütend heißen Autos, die die Herzen der Erholungssuchenden höher schlagen lassen. Im Trend liegt vielmehr nachhaltiger Tourismus, der sozial, ökologisch und wirtschaftlich langfristig tragbar ist und der Erholung und Inspiration für die Reisenden mit positiven Impulsen für die „Bereisten“ vereint.

Im UN Internationalen Jahr für nachhaltigen Tourismus 2017 wurden folgende 5 Schlüsselbereiche festgelegt, die Tourismus zum Katalysator positiver Veränderungen machen können: 1. umfassendes und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, 2. soziale Einbeziehung, Beschäftigung und Armutsminderung, 3. Ressourceneffizienz, Umweltschutz und Klimawandel, 4. kulturelle Werte, Vielfalt und kulturelles Erbe, 5. gegenseitiges Verständnis, Frieden und Sicherheit.

Diese Schwerpunktsetzungen klingen „verdächtig“ nach jenen Werten, denen sich auch die Sozialen Unternehmen im Netzwerk von arbeit plus verpflichtet fühlen. Soziale Unternehmen unterstützen Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt sind, durch Beschäftigung, Beratung und Qualifizierung bei ihrem (Wieder-) Einstieg ins Erwerbsleben. Und tatsächlich gibt es auch zahlreiche Projekte Sozialer Unternehmen in Österreich, die ihren Beitrag zur Umsetzung eines sozial verträglichen Ferienprogrammes leisten können!

Wir haben einige Beispiele Sozialer Unternehmen (zum Großteil Mitglieder von arbeit plus – Soziale Unternehmen Österreich, aber nicht ausschließlich) herausgepickt und freuen uns, hier unseren kleinen Guide für „Urlaub plus mehr“ aufzulisten!

Wir starten heute mit Wien, dem Burgenland, Nieder- und Oberösterreich, weitere Tipps und Ergänzungen gerne an martina.koenighofer@arbeitplus.at und/oder als Comments in den Sozialen Medien!

WIEN

Die Bundeshauptstadt hat einiges zu bieten, will man als Reisende*r die beiden Fliegen „Erholung“ und „etwas Sinnvolles tun“ mit einer Klappe schlagen: Reist man mit dem Zug an, bietet sich gleich am Hauptbahnhof die Gelegenheit, im Sozialökonomischen Betrieb Radstation City-, E-Bikes, E-Scooter oder auch Kinderräder stunden-, tage- oder wochenweise auszuleihen. Mit im Paket der ökologischen Stadterkundung sind Radkarten mit deren Hilfe auch die idyllische Route durchs Arsenal und den grünen Prater zum Catamaran an der Donau herausgefunden werden kann. Dort angekommen, kann man sich den Bauch beim Mittagstisch der Caterei mit leckeren Speisen vollschlagen. Die Köch*innen und Servicekräfte, die international inspirierte Gerichte als Mittagsmenüs zaubern, sind arbeitsmarktferne und/oder mit psychischen Problemen belastete Menschen, die im Projekt die Möglichkeit haben, durch Qualifikation und psychosoziale Unterstützung neue berufliche Perspektiven zu entwickeln.

Gut gestärkt geht’s mit dem Rad weiter auf die Donauinsel. Dort kann man nicht nur Abkühlung im Wasser finden, sondern im nördlichsten Teil der Insel auch die genüsslich weidenden Krainer Steinschafe beobachten. Die Schafe sind Teil eines EU Projektes, im Rahmen dessen von WUK bio.pflanzen Gebiete im Marchfeld und nun auch auf der Donauinsel beweidet und bewirtschaftet werden. Wie so viele der Sozialen Unternehmen im Netzwerk von arbeit plus vereint auch dieses Projekt Aspekte ökologischer Nachhaltigkeit mit fairen Chancen am Arbeitsmarkt.

Nach so viel flauschigem, beschaulichen #sheepcontent geht’s zurück ins Zentrum der Großstadt. Hier bieten etwa Shades Tours oder Supertramps geführte Stadtrundgänge an, die Einblicke in die Lebenswelten Geflüchteter oder Obdachloser bieten – geführt von den Expert*innen ihrer Lebenssituationen selbst und dadurch ausgesprochen facettenreich, spannend und authentisch!

Gestärkt wird sich nach dem Sightseeing der besonderen Art am besten im legendären Inigo. Das Lokal ist in den mehr als 25 Jahren seines Bestehens zu einer nicht mehr wegzudenkenden Wiener Gastro-Institution gewachsen, das durch zentrale Lage und raffinierte Speisen punktet. Nicht weniger raffiniert und zentral kann man sich im Michl’s oder dem Top-Lokal verköstigen. Alle drei Gastro-Betriebe sind Soziale Unternehmen und unterstützen nicht nur ihre Mitarbeiter*innen bei der Reintegration in den Arbeitsmarkt, sondern verfügen auch über durchwegs innovative weitere Unternehmens-Assets und Tätigkeitsbereiche, wie etwa Lieferservice per Fahrrad oder Catering. Sie betreiben außerdem Supermärkte, Kantinen, Cafés in Pensionist*innenwohnheimen oder dienen als kulturelle Veranstaltungs- und Seminarräume – mehr Infos hierzu finden sich auf den jeweiligen verlinkten Websites!

Gastronomie vom Feinsten bietet auch die Kant_ine Vier Zehn in der Wiener Vorstadt. Ein Besuch des sozial-ökonomischen Beschäftigungsprojektes bietet sich vor allem auch aufgrund des internationalen Kulturangebotes an, das die Sargfabrik, in dem sich die Kant_ine Vier Zehn befindet, zu einem so besonderen Ort werden lässt. Somit ist auch schon für die Abendgestaltung des sozial-verträglichen Wien-Trips gesorgt!  Wer am Weg zur Sargfabrik noch vor 16:30 dran ist, kann einen kurzen Abstecher in die Werkstatt und den Showroom von trashdesign einplanen.

Ihr seht schon – Wien hat wirklich eine reiche Fülle an tollen Sozialen Unternehmen zu bieten! Und da sprechen wir jetzt mal nur vom „touristischen“ Bereich! Eine Übersicht aller Unternehmen im Netzwerk von arbeit plus, inklusive nicht minder toller Beratungseinrichtungen und Qualifizierungsmaßnahmen findet sich > hier.

Wer in Wien übernachtet, kann dies im Öko-Boutiquehotel Stadthalle und in Magdas Hotel in von gabarage upcycling design und aus den sogenannten carlas ausgestatteten Hotelzimmern tun. In den upgecycleten Betten und beflügelt vom dicht gefüllten „Sozialer Mehrwert-Tag“ läßt es sich wunderbar von einer besseren Welt träumen!

Gut ausgeschlafen geht es dann am nächsten Tag zum Souvenir-Shoppen: Im Concept-Store Schön & Gut im Vierten findet man eine breite Palette an fair produzierten und ökologisch hochwertigen Produkten Sozialer Unternehmen: vom Wiener Bezirkshonig bis hin zum Wiener Turnsackerl gib es hier passende Erinnerungsstücke an den Wien-Trip zu erstehen. Auch in der Galerie des Arbeitsintegrations- und Kunstprojektes für Menschen mit Behinderung unik.at im achten Bezirk wird man als Erinnerungsstücksucher*in leicht fündig und kann sich auch gleich mit einem hippen Rote Rübe-Orange-Kokos-Drink aus der Mentorix Saftbar stärken! Auch im markt_platz shop am Yppenplatz finden sich zahlreiche Produkte aus Initiativen wie dem ArbeitsRaum, einem Gemeinschaftsprojekt der Caritas Wien und Volkshilfe Wien.

Neben einem Koffer voll bepackt mit Andenken an den „Kurzurlaub plus“ in Wien bleibt hoffentlich auch die Erfahrungs-Bereicherung aus den Begegnungen mit den Mitarbeiter*innen Sozialer Unternehmen, die in ihren Jobs eine wertschätzende und unterstützende Begleitung zurück am Weg in den Arbeitsmarkt erfahren.

NIEDERÖSTERREICH

Wer seinen Balkon mit besonderen Gemüsen, wie etwa Luffa-Gurken, Ledermelonen, oder aber auch mit den good old Klassikern wie Fleischparadeisern und Basilikum bepflanzen möchte, dem sei ein Kurztrip zum ab Hof Verkauf bei WUK bio.pflanzen in Gänserndorf ans Herz gelegt. Die Soziale Landwirtschaft hat all das und mehr im Sortiment. Die Pflänzchen sprießen dort unter der Obhut ehemals Langzeitbeschäftigungsloser im Alter von 24 – 60 Jahren, die als Transitarbeitskräfte den grünen Daumen hoch halten. Sie werden dort fachlich weitergebildet und sozialarbeiterisch begleitet.

So richtig Urlaub machen kann man im Herzen der Buckligen Welt im Upcycling Hotel Binder. Das ehemalige Kurhotel im Ortszentrum von Mönichkirchen wird vom Verein Grüner Kreis betrieben, der sich für die Rehabilitation und Integration suchtkranker Menschen einsetzt. In vom Sozialen Unternehmen gabarage gestalteten und Filmklassikern nachempfundenen Themenzimmern kann man sich stark wie Pippi Langstrumpf fühlen oder in die fabelhafte Welt der Amélie eintauchen. Auch für wildromantische Geierwallys ist das richtige Ambiente dabei! Die weitläufigen Wiesen und Wälder der Umgebung sind ideal geeignet für Spaziergänge, Wanderungen und sonstige Outdoor-Aktivitäten. Relaxt wird dann im Wellnessbereich mit Sauna, Sole-Dampfkammer, nur um sich danach kulinarisch vom hausinternen Cateringteam verwöhnen zu lassen!

Auf der Rückreise, oder einfach so, als kleiner Trip zwischendurch, empfiehlt sich ein Besuch beim Frauenbeschäftigungsprojekt NESIB in Neunkirchen. Dort kann man nicht nur wirklich stylishe Notizbücherl oder Tote Bags aus upgecycleten Dirndln erstehen, sondern sich sogar ein maßgeschneidertes Schwarzataler Dirndl fertigen lassen! Das Projekt beschäftigt arbeitsmarktferne Frauen, deren Berufschancen und Lebensqualität durch entsprechendes Training, Qualifizierung und geregelte Berufstätigkeit, Betreuung & Beratung und eine materielle Existenzsicherung verbessert werden. Eine win-win-win Situation also für euch und die Mitarbeiter*innen des Sozialen Unternehmens: hippe Vintage Trachtenmode und ein spannender Trip ins südliche Niederösterreich für euch, in einer eleganten Kombination mit fairen Jobs & Empowerment für die Mitarbeiter*innen im Industrieviertel! Nach dem Anprobieren empfiehlt sich eine Erfrischung im von der NEBA Produktionsschule Industrieviertel Süd betriebenen Espresso & Saftladen! Südliches Flair samt Urlaubsfeeling entsteht im italienisch angehauchten Stehcafé, in dem Jugendliche ein arbeitsmarktnahes Training entsprechend ihrer Qualifikationen und Bedürfnisse absolvieren und leckere Tramezzinis, perfekte Latte Macchiatos und coole Shakes servieren.

In einem anderen Teil Niederösterreichs, nämlich in Amstetten, schläft die kulinarische Konkurrenz auch nicht!  Im unida café kann man hervorragende hausgemachte Mehlspeisen schlemmen und sich Klassiker aus dem Eissortiment, wie „Heiße Liebe“ und „Bananensplit“, auf der Zunge zergehen lassen!

BURGENLAND

Für Windsurfer*innen, Birdwatcher*innen und Naherholungs-suchende Wiener*innen ist der Neusiedlersee schon längst eine nicht mehr wegzudenkende Sommerdestination. Und auch hier, direkt am österreichisch-ungarischen Binnensee, lässt sich ein Ausflug wunderbar mit den Vorzügen Sozialer Unternehmen verknüpfen!

Bei den Koryphäen, einem sozialökonomischen Betrieb in Neusiedl am See, werden nämlich traditionelle burgenländische Blaudrucke zu hippen, zeitgemäßen Gym Bags, Tagesdecken und reisetauglichen Nackenhörnchen vernäht. Die Kunst des Blaudruckes wurde sogar in die Liste des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen! Die Koryphäen sind u.a. auch beim „Earth Market“ (20.7., 17.8.) in Parndorf und beim Bauernmarkt im Weiden am See (18.8.) mit dabei. Einem Shopping-Erlebnis der anderen Art, abseits von Outlet-Kommerz steht also nichts mehr im Wege!

OBERÖSTERREICH

Angesichts des Wahnsinns-Freizeitangebotes, das das Mühlviertel zu bieten hat, erscheint ein Aufenthalt im Jugendgästehaus Ulrichsberg schon eher für eine ganze Ferienwoche, als für einen Day-Trip geeignet. Die Herberge ist Teil des Projektes ALOM Böhmerwaldwerkstatt und unterstützt Menschen beim Jobeinstieg. Mit 34 Betten, vom Einzelzimmer bis hin zum Matratzenlager, lässt es sich dort wirklich hervorragen ökologisch und sozial verträglich urlauben!

Donaublick, vielfach ausgezeichnete Hotellerie und ein reiches Kulturangebot zeichnen das Hotel Wesenufer Hotel & Seminarkultur in Waldkirchen am Wesen im Innviertel aus. Das Hotel, eingebettet in die malerische Landschaft nahe der Schlögener Donauschlinge, ist ein Angebot von pro mente Oberösterreich und arbeitet mit und für psychosozial beeinträchtigte Menschen, die in Form unterschiedlicher Arbeitsmodelle ihre fachlichen und sozialen Kompetenzen im Hotel- und Seminarbetrieb erweitern. Der Leitsatz „Es ist normal anders zu sein“ spiegelt sich auch im Angebot wider: das Hotel ist samt seiner Seminareinrichtungen bestens auf die besonderen Bedürfnisse und Anforderungen von Menschen mit Beeinträchtigungen eingestellt!

arbeit plus

Die vorgestellten Lokale, Shops, Initiativen und Unterkünfte in dieser ersten Ausgabe des kleinen Reise-Guides sollen euch als Anregung dienen, den Mehrwert, den Soziale Unternehmen bieten, in eure Planungen mit einzubeziehen. So werdet ihr zu einem wichtigen Teil im ambitionierten Prozess, den sich arbeit plus und die 200 gemeinnützigen Unternehmen in unserem Netzwerk zum Ziel gesetzt haben: nämlich dem strukturellen Problem der Arbeitslosigkeit aktiv entgegenzuwirken und somit Menschen soziale Teilhabe und selbstbestimmte Lebensweisen zu ermöglichen. Die oben vorgestellten Betriebe sind nur einige wenige der zahlreichen Sozialen Unternehmen, die eine wirklich umfassende Palette an Dienstleistungen und Services in Bereichen wie Recycling und Reuse, Transport und Übersiedlung und vielem, vielem mehr anbieten. Einen Überblick bietet die > Datenbank Sozialer Unternehmen, die auf der Website von arbeit plus zu finden ist.

Wir wünschen euch einen schönen Sommer voll guter Erholung bei interessanten Day-Trips oder längeren Urlauben, mit Einblicken in spannende Arbeitsmodelle, wunderbare Träume in den Betten sozial verträglicher Unterkünfte, nachhaltige Souvenirs und viele kulinarische Highlights!

Vor den Vorhang: Ältere Arbeitssuchende transportieren mit „BIS Mobil“ Personen mit Einschränkungen

Das Bildungszentrum Salzkammergut (BIS) will mit dem „BIS Mobil“ zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Älteren Arbeitssuchenden eine Verdienst- und Senioren eine günstige Transportmöglichkeit bieten. Kürzlich wurde BIS Mobil mit dem VCÖ-Mobilitätspreis in der Kategorie „Barrierefreiheit und sozial gerechte Mobilität“ ausgezeichnet.*

Steigende Kosten für den öffentlichen Verkehr, unrentable Buslinien und knappe Gemeindebudgets verhindern in ländlichen Gebieten oft eine Ausweitung der öffentlichen Personentransporte. So manche Gemeinde ist zudem von Überalterung betroffen, weil viele Jüngere in wirtschaftlich interessantere Gebiete abwandern – dadurch wird für viele ältere Menschen der Gang zum Arzt, der Behördentermin oder ein Kirchenbesuch zur Hürde. Familie und Freunde müssen um Unterstützung ersucht werden, die Folge: Unternehmungen werden zum Spießrutenlauf und Erledigungen müssen langfristig im Voraus geplant werden.

Eine echte Win-win-Situation: Mit dem BIS Mobi erhalten ältere Arbeitssuchende die Chance auf eine Arbeit und Senior*innen die Chance auf eine günstige Transportmöglichkeit.

Sinnvolle Alternative zur Arbeitslosigkeit

Das Beschäftigungsangebot des BIS versucht auf diese Probleme zu reagieren – mittels eines gemeinnützigen Transportdienstes. Gemeinsam mit dem Sozialministerium hatte man im BIS überlegt, welche Tätigkeiten Langzeitarbeitslose im höheren Alter noch machen könnten. Schnell kristallisierte sich das Autofahren heraus. Im  September erhielt BIS Mobil des Bildungszentrums Salzkammergut (BIS) den VCÖ-Mobilitätspreis in der Kategorie „Barrierefreiheit und sozial gerechte Mobilität“. Bei Österreichs größtem Wettbewerb für klimaverträgliche Mobilität, der vom VCÖ in Kooperation mit dem Verkehrsministerium, dem Umweltministerium und den ÖBB durchgeführt wird, wurden heuer 377 Projekte und Konzepte eingereicht. Das sind so viele wie noch nie zuvor.

Die Besonderheit der „BIS mobil“-Idee erklärt die Projektverantwortliche Claudia Loidl: „Bis zu zwölf ältere Arbeitsuchende, die kurz vor der Pensionierung stehen, lenken als Fahrer und Telefondienst den Betrieb und überbrücken so die Zeit bis zum nahen Pensionsantritt mit einer gesellschaftlich und kommunal wichtigen Arbeit.“ Sie befördern ihre Fahrgäste und koordinieren die Fahrten.

Neue Chance für ältere Erwerbslose

Dass es für ältere Arbeitslose immer schwieriger wird, wieder zu einer Beschäftigung zu gelangen, ist kein Geheimnis. Das zeigen unter anderem die monatlichen AMS-Daten zur Arbeitsmarktentwicklung. Während die Arbeitslosenzahl in den letzten Monaten generell leicht zurückging, erhöhte sich gleichzeitig die Zahl der älteren Erwerbslosen. „Ein Projektteilnehmer hat zum Beispiel 700 (!) Bewerbungen geschrieben und keinen Job bekommen“, so Loidl.

Das „BIS mobil“ bedeutet für die Projektteilnehmer, dass sie wieder Sozialversicherungsbeiträge einzahlen können und nicht mehr auf AMS-Gelder angewiesen sind. Am Montag dieser Woche haben neun Personen ihren Dienst angetreten, im Februar und März werden zwei weitere zum Team dazustoßen.

Kostengünstige Fahrten

Die Fahrten erfolgen an allen sieben Tagen der Woche, von 7 Uhr früh bis 20 Uhr. Erste Einsatzorte sind zunächst Traunkirchen und Ebensee. Gefahren wird kostengünstig mit drei besonders klimafreundlich und umweltschonenden Fahrzeugen (ein „Neunsitzer“-Bus und zwei geräumige Pkw). Das Transportangebot richtet sich insbesondere an Senioren, Personen mit körperlichen Einschränkungen oder Familien mit Kleinkindern ohne Führerschein oder Fahrzeug und sieht sich nicht als Ersatz für herkömmliche Transportdienste (Taxi, öffentliche Busse/Züge), sondern als Ergänzung zu bestehenden Angeboten. So hilft ein Attnanger Taxiunternehmen, die Dispositionszentral in Ebensee aufzubauen und die digitalen Voraussetzungen für den Betrieb zu schaffen.

Mit wenigen Euro durchs Gemeindegebiet

Das „BIS mobil“ verkehrt ausschließlich im Nahverkehr und steht auch nicht Nachtschwärmern oder Personen, denen die Nutzung klassischer Transportmittel zumutbar ist, zur Verfügung. Der Transport erfolgt nur nach telefonischer Voranmeldung. Versuche, ein vorbeifahrendes „BIS mobil“-Fahrzeug anzuhalten, sind daher sinnlos.Die Fahrtkosten orientieren sich an Zonen. Die Fahrt in der „Kernzone“ (Gemeindegebiet) kostet 4,50 Euro, bzw. 2,50 Euro für Senior*innen und Personen mit eingeschränkter Mobilität. pro Fahrt). Telefonisch ist das „BIS mobil“ unter 06133/ 21717 erreichbar.

*Dieser Artikel ist am 17.1. 2017 bei Tips Gmunden erschienen und wurde von uns aktualisiert.  Wir danken dem Autor und Redaktion Tips Gmunden für die freundliche Veröffentlichungsgenehmigung.

 

Das Fahrradzentrum B7 logiert ab nun in der Linzer Tabakfabrik

„Gute unentfremdete Arbeit ist ein menschliches Ziel. Sinnerfüllte Arbeit ist ein menschliches Urbedürfnis. Der Mensch hat ein Recht darauf“. Mit diesen Worten segnete Bischof Manfred Scheuer Mittwochabend den neuen Standort des Fahrradschops B7 in der Linzer Tabakfabrik. das Projekt startete 1984 als bischöfliche Arbeitslosenstiftung mit ihrem Standort in der Bischofsstraße 7, was zur Namensgebung führte.

Einstieg in die Arbeitswelt

Die Grundidee ist bis heute unverändert. Im B7 finden Menschen eine Beschäftigung, die sich am Arbeitsmarkt schwer tun. Sie werden angestellt, reparieren Räder und verkaufen neue. Das B7hat aktuell 47 beschäftigte, davon sind 15 zeitlich befristet. 700 gebrauchte Räder wurden im vergangenen Jahr repariert und wieder verkauft. „Sie finden reißenden Absatz“, weiß Geschäftsführer Helmut Bayer. Neben dem neuen, 1000 Quadratmeter großen Zentrum in der Tabakfabrik gibt es noch zehn Außenstellen. Die Mitarbeiter sind für ein Jahr angestellt. Mehr als die Hälfte findet dann anderswo einen Job. „Sie scheiden dann aus, weil das Ziel erreicht ist“, so Bayer. Nach zwei Jahren haben 75 Prozent dauerhaft eine andere Arbeitsstelle gefunden.

Zur Neueröffnung kam viel Prominenz, unter anderem die Ursprungsgründer Bischof Maximilian Aichern, Bischofsvikar Josef Mayr und Ex-Geschäftsführer Hans Riedler. Weiters gaben sich Landesrätin Birgit Gerstorfer, die Abgeordnete Elisabeth Manhal, AMS-Chef Gerhard Straßer, Bischofsvikar Mittendorfer und KA-Präsident Bert Brandstetter die Ehre.

arbeit plus-Geschäftsführerin Judith Pühringer (ganz re.) würdigte in ihrer Eröffnungsrede das B7 als Sprungbrett für benachteiligte Menschen.

arbeit plus-Geschäftsführerin Judith Pühringer hielt ein Plädoyer für eine solidarische Arbeitswelt und würdigte das B7 als Sprungbrett für Benachteiligte.

Judith Pühringer, Geschäftsführerin der Sozialen Unternehmen Österreichs, hielt die Festrede. „Die Digitalisierung ändert die Art, wie wir leben und arbeiten. Es erwarten uns umwälzende Änderungen und Verwerfungen.“ Sie setzt auf eine „solidarische Arbeitswelt“, es dürfe keine getrennten Arbeitswelten mehr geben. Seit den 1990er-Jahren sei der Niedriglohnsektor stark gestiegen. Sie forderte eine Neudefinition der Arbeit. Da müsse zum Beispiel auch die Pflegearbeit enthalten sein. Sie kritisierte die Kürzung der Mindestsicherung.

B7 als Sprungbrett

Pühringer würdigte, dass das B7 für viele Menschen zu einem Sprungbrett für die Zukunft geworden sei, für Menschen, die vor verschlossenen Türen gestanden seien. Im Anschluss gab es ein Buffet mit orientalischen Speisen, von Flüchtlingen zubereitet. Das B7 ist von Dienstag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Samstag 9-12 Uhr.

*Dieser Artikel ist am 12. März in der Oberösterreich-Ausgabe der Tageszeitung Kurier erschienen. Wir danken dem Autor Josef Ertl für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung.

„Wir brauchen mehr Sozialökonomische Betriebe“

Wer sich schwer tut, im normalen Arbeitsmarkt einen Job zu finden hat die Möglichkeit, in einem sozialökonomischen Betrieb zu arbeiten. Die Volkshilfe etwa unterstützt seit 24 Jahren Langzeitarbeitslose, Wiedereinsteiger, Menschen mit Beeinträchtigungen oder benachteiligte Jugendliche bei der Integration in die Arbeitswelt. Dafür sind Förderungen der öffentlichen Hand nötig. Der Eigenerwirtschaftungsbeitrag beträgt bei der Volkshilfe rund 33 Prozent, der Rest wird zu zwei Dritteln vom AMS und zu einem Drittel vom Land OÖ getragen. Durch die hohen Kosten stehen sozialökonomische Betriebe oft in der Kritik – zu Unrecht, wie nun eine aktuelle Studie im Auftrag des AMS zeigt. „75 Prozent der entstandenen Kosten fließen bereits im ersten Förderjahr wieder zurück an die öffentliche Hand. Nach 2,8 Jahren hat sich das finanzielle Investment der öffentlichen Hand amortisiert“, sagt Karl Osterberger, Geschäftsführer der Volkshilfe Oberösterreich.

Hoher Nutzen für die Gesellschaft

Volkshilfe

Ein Arbeitsverhältnis stärkt die persönlichen Ressourcen.

Weitaus höher ist jedoch der soziale Nutzen für die Gesellschaft. Dieser wurde in aufwändigen Gesprächen mit 520 Transitmitarbeitern erhoben, die beim Volkshilfe Basar beschäftigt sind. So stabilisiert ein Arbeitsverhältnis die Lebensverhältnisse, stärkt die persönlichen Ressourcen und wirkt sich positiv auf den Gesundheitszustand aus. Rund 30 Prozent der Transitmitarbeiter schaffen zudem den Wiedereinstieg am ersten Arbeitsmarkt. „Berücksichtigt man diesen nicht-monetär messbaren Nutzen, ist bereits nach 9,8 Monaten der gesamtgesellschaftliche Nutzen der sozialökonomischen Betriebe höher als die dafür aufgewendeten Kosten“, so Osterberger. Der Social Return on Investment (SROI) tritt demnach nach weniger als einem Jahr ein.

Beschäftigungsprogramme ausbauen

Volkshilfe und AMS warnen daher davor, in Zeiten steigender Arbeitslosenzahlen bei den sozialökonomischen Betrieben den Sparstift anzusetzen. „Das jährliche Förderbudget von derzeit 1,14 Milliarden Euro soll aus heutiger Sicht im Jahr 2017 auf 879 Millionen Euro gesenkt werden. Sollte das wirklich passieren wird es schwierig, diese Fördermaßnahmen aufrecht zu erhalten“, sagt AMS-Landesgeschäftsführerin Birgit Gerstofer. Die Volkshilfe fordert sogar den Ausbau der sozialökonomischen Betriebe: „Der zweite Arbeitsmarkt wird angesichts der dramatisch hohen Arbeitslosigkeit wichtiger denn je. Abgesehen davon, dass der volkswirtschaftliche Nutzen nachgewiesen ist, geht es vor allem darum, den Menschen eine Chance und eine Perspektive zu geben“, so Osterberger. „Wenn wir die Mittel hätten, könnten wir die Zahl der sozialökonomischen Betriebe schon jetzt verdreifachen“, bestätigt auch Gerstorfer.

1700 Plätze in OÖ

Derzeit gibt es in Oberösterreich 32 dieser Betriebe und Beschäftigungsprojekte, die das AMS OÖ initiiert hat. Dort stehen Plätze für 1700 Personen zur Verfügung. Die Volkshilfe bietet etwa in Linz, Schärding und Steyr Beschäftigungsmöglichkeiten in der Verwaltung, in der Buchhaltung, im Lager, in der Reinigung, in der Textilsortierung, beim Zerlegen von Elektrogeräten, im Verkauf und im Transport. Hier werden nicht nur Menschen ins Arbeitsleben integriert sondern es wird auch ein nachhaltiger Beitrag zur Erhaltung der Umwelt geleistet. So wurden etwa im Vorjahr 2000 Tonnen Textilien gesammelt, die sortiert und aufbereitet und dann in einem der 16 Volkshilfe-Shops zu günstigen Preisen verkauft werden. „In den vergangenen Jahren ist es uns gelungen, namhafte Unternehmen als Kooperationspartner unserer Projekte zu gewinnen“, sagt Gerstorfer. Dazu gehören das Textilunternehmen Wozabal und die Energie AG. In Zusammenarbeit mit Spar betreibt die Caritas in Wels einen Supermarkt, in dem vorrangig schwer am Arbeitsmarkt vermittelbare Menschen arbeiten. Ein ähnliches Projekt ist in Kooperation mit Unimarkt ab dem Frühjahr geplant.

Zum Download:

SROI-Basar_Kurzzusammenfassung

SROI_Basar_Endbericht

*Wir danken der Stadtrundschau Linz für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung.

„Arbeitslosigkeit steigt bei Menschen über 50 stärker an als bei Jüngeren“

„In den Oberösterreichischen Nachrichten war am 14.10. die Aussage von IV-Generalsekretär Neumayer zu lesen: „Ältere gemeinsam länger im Arbeitsprozess zu halten, ist wegen des zunehmenden Fachkräftemangels unerlässlich.“ Und weiter: Viele Betriebe hätten das längst erkannt.

Der erste Teil der Aussage ist zweifelsfrei richtig und zeugt von einer strategisch richtigen Einschätzung der zukünftigen Anforderungen an die Betriebe. Dass die Betriebe das längst erkannt hätten ist meines Erachtens allerdings zweifelhaft: Zwar steigt die Anzahl der Beschäftigten der Generation 50 plus, jedoch überwiegend nicht aufgrund der Beschäftigungspolitik der Unternehmen, sondern durch demografische und pensionsrechtliche Veränderungen.

Insgesamt haben rund 40% aller Betriebe ab 20 Beschäftigten nur sehr wenige (unter 5% der MitarbeiterInnen) oder gar keine ArbeitnehmerInnen über 55 Jahren in Beschäftigung und 20% dieser Betriebe beschäftigen gar keine ArbeitnehmerInnen über 55 Jahren längerfristig.

Tatsache ist: Die Arbeitslosigkeit steigt bei der Gruppe der Menschen über 50 Jahren viel stärker an wie bei den Unter-50-Jährigen. Im September beträgt der Zuwachs im Vorjahresvergleich bei den Unter-50-Jährigen 9,6 Prozent, bei den Über-50-Jährigen 15,7 Prozent. (Quelle: AMS-Statistik September 2014).“

Mag. Josef Pürmayr, Geschäftsführer Sozialplattform OÖ

Den Artikel, auf den der Leserbrief Bezug nimmt, finden Sie hier

Offener Brief: Arbeitslose dürfen nicht zu Sündenböcken gemacht werden

Die Sozialplattform Oberösterreich kritisiert in einem Offenen Brief an den Präsidenten der Wirtschatskammer OÖ, Dr. Rudolf Trauner, dass die Wirtschaftskammer OÖ derzeit in verschiedenen regionalen Medien auf Basis von Einzelfällen den „Missbrauch“ des Arbeitslosenversicherungssystems thematisiere. In dem Brief, den neben bdv austria 28 weitere Organisationen und Vereine unterstützen, heißt es wörtlich: „Durch diese Präsentation von Einzelbeispielen wird unserer Ansicht nach suggeriert, dass arbeitslose Personen prinzipiell bzw. in großer Anzahl unwillig seien, eine zumutbare Arbeitsstelle anzunehmen bzw. überhaupt zu Bewerbungsgesprächen zu erscheinen. Sie unterstellen den Arbeitslosen somit unlautere Ausnutzung des Arbeitslosenversicherungssystems und fordern schärfere Zumutbarkeitsregelungen für die Annahme einer Beschäftigung. Wir, die UnterstützerInnen dieses Briefes, wissen aus unserer Arbeitspraxis, dass der weitaus größere Teil der arbeitslosen Menschen sehr unter der Arbeitslosigkeit leidet und bestrebt ist, eine Arbeitsstelle zu finden. Noch schärfere Zumutbarkeitsbestimmungen werden das Problem nicht lösen angesichts der Tatsache, dass hunderttausende Arbeitsplätze fehlen, um Vollbeschäftigung herzustellen.“

 

 

Vor den Vorhang: „Eigentlich habe ich meine Probleme immer selbst gelöst“

Früher hat Anna S. nie Hilfe gebraucht: „Ich war immer stark und eigentlich habe ich meine Probleme selber gelöst“, erzählt die neununddreißigjährige gebürtige Polin in perfektem Deutsch. Nach ihrer Migration nach Österreich 2006 ging es ihr „am Anfang ziemlich gut“. Ihre beiden Kinder brachte die alleinerziehende Mutter mit dem Job in einer Wäscherei über die Runden: „Der Vater der Kinder unterstützte uns nicht. Es war schwierig, aber wir kamen gut zurecht“, erinnert sie sich zurück. Eine schlimme Beziehung warf die Wahl-Oberösterreicherin aus der Bahn. Sie suchte Unterschlupf in einem Frauenhaus, verlor ihren Arbeitsplatz. Zwei Jahre fand sie keinen Job, auch, „weil ich einfach noch nicht so weit war“. Als das AMS ihr einen Platz in den Donauwerkstätten vermittelte, war sie zunächst, nicht zuletzt wegen der handwerklichen Tätigkeiten, skeptisch: „Aber dann dachte ich, okay, wenn du schon hier bist, dann machst du das Beste draus.“ Seit mehreren Monaten arbeitet sie nun schon in dem Beschäftigungsprojekt des Vereins SAUM, stellt gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen etwa Stangen für Baufirmen oder auch Holzblumen für den Außenbereich her.

Im Beschäftigungsprojekt des Vereins SAUM(„Sozial- und Ausbildungsinitiative Unteres Mühlviertel“) in Langenstein (OÖ) finden arbeitslose Personen Beschäftigung in den Bereichen Grünraumpflege, Tischlerei und Lohnfertigung. Die ProjektmitarbeiterInnen werden durch professionelle fachliche Anleitung bei der Erstellung der verschiedenen Produkte und Dienstleistungen unterstützt. Sozialpädagoginnen stehen als Beraterinnen für persönliche und berufliche Fragen zur Verfügung. Die aktive Arbeitsplatzsuche ermöglicht eine Anschlussperspektive nach der Zeit in den Donauwerkstätten.

saum_Dowe1

„Jetzt bin ich schon ganz froh über die Chance, denn hier gehen die Menschen auch auf meine Bedürfnisse ein und wenn ich einmal meinen kleinen Sohn früher von der Schule abholen muss, dann geht das“, sagt Anna S.. Und fügt hinzu: „Könnte ich länger hierbleiben, dann wäre das meine letzte Arbeitsstelle.“