Licht ins Dunkel der Sozialhilfe: Chancen und Teilhabe für langzeitarbeitslose Menschen

Arbeits- und Wirtschaftsministerium und AMS freuen sich über positive Nachrichten. Dabei wird übersehen, dass die Langzeitarbeitslosigkeit im Verhältnis weniger schnell sinkt als die Zahl der Arbeitslosen insgesamt.

Im Jahr 2022 waren immer noch knapp 85.000 Menschen (Dez 22: 80.418) länger als ein Jahr ohne Arbeit. Rund 20.000 dieser Menschen haben Mindestsicherung bezogen, mehr als die Hälfte (13.000) als Aufstockung zu den AMS-Leistungen. Laut der EU-Statistik über Einkommen und Lebensbedingungen waren mehr als 50% der Menschen, die mehr als ein Jahr arbeitslos sind, armutsgefährdet – auch nach Erhalt von allen staatlichen Transferleistungen.

Längere Arbeitslosigkeit führt zu Armut

„Je länger Arbeitslosigkeit dauert, desto größer ist die Gefahr, in Armut abzurutschen“, so Sabine Rehbichler, Geschäftsführerin von arbeit plus Österreich. „Um Armut zu vermeiden und Existenzen zu sichern ist eine Verkürzung der Arbeitslosigkeit und die Aufnahme von Arbeit hilfreich.“

Die Mitgliedsunternehmen im Netzwerk von arbeit plus ermöglichen es langzeitarbeitslosen Menschen, am Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen. Die Erfahrung aus 200 Sozialen Unternehmen in ganz Österreich zeigt, dass für eine verlässliche Jobaufnahme und die Konzentration auf die Jobsuche stabile Lebensumstände notwendig sind. Existenzsorgen und bürokratische Hürdenläufe sind kontraproduktiv. Existenzängste müssen aufgegriffen werden, sicherer Wohnraum zur Verfügung stehen und Kinder und Angehörige versorgt sein. Die aktuell unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern und die Abwesenheit von Rechtssicherheit eröffnet einen willkürlichen Umgang von Behörden und machen Empfänger*innen zu entmutigten Bittsteller*innen.

Existenzangst, Wohnungsunsicherheit, Unsicherheit der Versorgung der Kinder sowie individuelle Entmutigung erschweren nachgewiesenermaßen die Arbeitsaufnahme.

Der Negativspirale entkommen

Die 19 Punkte der Armutskonferenz zeigen Lösungen auf. Um Sozialhilfeempfänger*innen beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu unterstützen, braucht es ein niederschwelliges, schrittweises Heranführen. Hier zeigt die Erfahrung aus den Unternehmen von arbeit plus, dass eine geringfügige Zuverdienstmöglichkeit die Arbeitslosigkeit für Menschen verkürzt. Damit ist ein Zuverdienst in der Arbeitslosigkeit nicht nur notwendig für die Existenzsicherung, sondern ermöglichen Chancen und Teilhabe und sind ein Sprungbrett in den Arbeitsmarkt.

arbeit plus fordert daher den Ausbau von niederschwelligen und schrittweisen arbeitsmarktpolitischen Angeboten, die einen Zuverdienst für Sozialhilfeempfänger*innen ermöglichen.

„Genau in der jetzigen Zeit einer geringen Arbeitslosigkeit gibt es die einmalige Chance, die Gründe zu identifizieren, warum Menschen in verfestigter Arbeitslosigkeit nicht wieder in den Arbeitsmarkt finden und was notwendig wäre, um dies zu ändern. Genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt, zu handeln“, sagt Sabine Rehbichler.

Start der Initiative „Wir gemeinsam“ für ein starkes soziales Netz

„Wir alle brauchen gute Medizin, wenn wir krank sind. Wir alle brauchen ein Daheim und ein Dach über dem Kopf. Wir alle brauchen eine passende Arbeit, von der wir leben können. Wir alle brauchen gute Schulen. Wir alle brauchen Zeit für das, was wir gerne tun. Egal ob wir arm sind oder reich. Ein starkes Netz sozialer Sicherung macht das möglich. Dafür machen wir uns stark. Wir gemeinsam.“ Am 10. April startete eine österreichweite Initiative, die sich stark macht für ein gutes soziales Netz, das uns stützt und schützt.

In einem Pressegespräch in Wien stellten die Vertreter*innen der Armutskonferenz, darunter auch Judith Pühringer von arbeit plus, die neue Initiative „Wir gemeinsam“ vor.

„Ich brauche einen Rollstuhl seit meiner Geburt“, erzählt Vera Hinterdorfer, engagiert bei der Initiative Sichtbar Werden der Armutskonferenz. „Meine Krankheit hat sich immer wieder verschlechtert. Dank einem halben Jahr Rehabilitation und acht Stunden Physiotherapie täglich, konnte ich wieder zurück in die Arbeit. Die Schmerzen aber bleiben. Ohne starkes soziales Netz könnte ich heute nicht hier sitzen. Gut dass es einen starken Sozialstaat gibt – bei allen Lücken, die wir aufzeigen und auch schließen müssen.“

„Ich habe einen guten Job gehabt, aber durch Krankheit habe ich ihn verloren. Lange ist es mir sehr schlecht gegangen“, erzählt der Mindestpensionist Karl Frank. Karl Frank leitet die Fußballgruppe bei pro mente. „Das hat mir das Leben gerettet“, sagt er. „Sport machen, unter anderen sein, Verantwortung bekommen. Gemeinsam geht das besser“.

„Arbeitslosigkeit kann jeden treffen, wegen einer Krankheit oder auch, weil die Arbeitswelt im Umbruch ist“, ergänzt die Betriebswirtin Judith Pühringer von arbeit plus – Soziale Unternehmen Österreich. „Die Konjunktur zieht an, für langzeitarbeitslose Menschen über 50 Jahre oder auch Menschen mit Behinderungen gilt das nur bedingt. Sie haben weiterhin schlechte Karten. Gerade da braucht es ein starkes soziales Netz mit Perspektiven.“

Schutz gegen ein Abrutschen

Bezieht man neben Einkommen auch Konsum und Vermögen in die Analyse ein, dann zerfällt die Mitte in einen Teil mit Rücklagen und in einen ohne. Die untere Hälfte hat kaum nennenswerten Besitz. Und das macht einen Riesenunterschied. Die untere Mittelschicht lebt nämlich solange in relativem Wohlstand mit Mietwohnung, Auto, Urlaub, Hobbies und Zukunftschancen für die Kinder, solange Systeme des sozialen Ausgleichs existieren. Ihre Lebensqualität wird durch den Sozialstaat möglich gemacht.

Pensionsversicherung, Kranken- und Arbeitslosenversicherung, geförderte Mietwohnungen und öffentliche Schulen sichern den Lebensstandard und verhindern gerade in unsicheren Zeiten ein Abrutschen nach unten. Die untere Mitte hat kein Vermögen um Einschnitte wie Krankheit oder Arbeitslosigkeit einfach aufzufangen. Und wäre sie gezwungen, Vermögen für Alter, Bildung, Krankheit oder Arbeitslosigkeit anzusparen, wäre ihr Lebensstandard und ihr Konsumniveau vernichtet. Die Mitte ist dort weniger gefährdet, wo es ein starkes Netz sozialer Sicherheit gibt.

Ein starker Sozialstaat stärkt die Wirtschaft

Die aktuellen Daten zeigen uns: Länder mit starkem Sozialstaat sind wettbewerbsfähig, weisen hohe Arbeitsproduktivät und ein hohes Bruttoinlandsprodukt auf. Monetäre Transfers tragen entscheidend zum sozialen Ausgleich bei und wirken armutspräventiv. Sie reduzieren die Armutsgefährdung von 44% auf 13,9%. Am stärksten wirken da Arbeitslosengeld, Notstands- und Mjndestsicherung sowie Wohnbeihilfe und Bildungsausgaben. Ein starkes soziales Netz reduziert die Abstiegsgefahr und schützt die Mitte vor Armut.

Stärken optimieren, Schwächen korrigieren

„Was sind die Stärken und was sind die Schwächen, fragt man sich, wenn man etwas verbessern will“, fasst Sozialexperte Martin Schenk zusammen. „Im besten Fall führt dies dazu, dass die Schwächen korrigiert und die Stärken optimiert werden. Das gilt auch für den Sozialstaat. Dort, wo soziale Probleme steigen, müssen wir gegensteuern, dort, wo soziale Probleme präventiv verhindert werden, müssen wir weiter investieren. Sonst werden die Schwächen verstärkt und die Stärken geschwächt.“

Weitere Informationen: Der Sozialstaat stützt und schützt die Mitte

www.wir-gemeinsam.at

10. Armutskonferenz: „Arbeitsmarktpolitik neu denken“

Während im Rahmen der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik Arbeitslosigkeit als Folge individueller Defizite gesehen würden und diesbezügliche Leistungen des Sozialstaates folgerichtig „verdient“ werden müssten, fehle es derzeit in Österreich an einem ausreichenden Angebot an (guten) Arbeitsplätzen: Das führte bdv austria-Geschäftsführerin Judith Pühringer in ihrem Impulsreferat zur aktivierenden Arbeitsmarktpolitik auf der 10. Armutskonferenz aus, die Ende Februar in Salzburg über die Bühne ging.

Soziale Unternehmen unterstützen Menschen, die am Arbeitsmarkt benachteiligt sind, beim (Wieder-) Einstieg ins Erwerbsleben und bieten für die Betroffenen einen „Entwicklungsrahmen auf Zeit“. Dabei steht die gesamte Lebenssituation im Zentrum: Die Menschen erhalten neben praxisorientierter Weiterbildung und Personalentwicklung auch Hilfe beim Lösen privater Probleme.

Zwischen Anspruch und Realität

In dieser Aufgabe befänden sich die Sozialen Unternehmen aber zunehmend in einem Dilemma, führte Pühringer aus: „Unsere Mitgliedsunternehmen müssen permanent ausbalancieren zwischen den Arbeitswünschen und –fähigkeiten der erwerbslosen Menschen, zwischen den strengen Zielvorgaben des AMS und den schwierigen Bedingungen am Arbeitsmarkt sowie nicht zuletzt zwischen dem geschilderten Selbstverständnis der Sozialen Unternehmen und den Möglichkeiten, die diese haben.“

Gefangen im „Aktivierungsregime“

So seien Soziale Unternehmen derzeit in einem „Aktivierungsregime“ gefangen: „Die sogenannte Verweildauer, das ist die Dauer, die langzeitbeschäftigungslose Menschen in den Sozialen Unternehmen bleiben können, wird immer öfter auf sechs bzw. manchmal sogar auf drei Monate verkürzt“, nennt die bdv austria-Geschäftsführerin ein Beispiel. Und: „Langfristige Ziele der Arbeitsmarktpolitik wie etwa eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt stehen im Widerspruch zu den kurzfristigen Zielvorgaben des AMS in punkto Verweildauer und Eigenerwirtschaftung. Damit bleiben jene Menschen, die am dringendsten Unterstützung brauchen, erst wieder auf der Strecke“, argumentierte die Arbeitsmarktexpertin.

„Arbeitsmarktpolitik neu denken“

Vor diesem Hintergrund plädierte Pühringer dafür, die österreichische Arbeitsmarktpolitik „neu zu denken“. Die Zutaten dazu: eine freiwillige Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, flexiblere Rahmenbedingungen für Soziale Unternehmen, Arbeitszeitverkürzung und Neuverteilung von Arbeit sowie das Ermöglichen einer dauerhaften, geförderten Beschäftigung.

Mehr auf www.armutskonferenz.at

Sozialwirtschaft als Alternativwirtschaft?

Dieser Artikel wurde im von der Armutskonferenz herausgegebenen Buch „Was allen gehört. Commons – Neue Perspektiven in der Armutsbekämpfung“ veröffentlicht. Das Buch kann bei der Armutskonferenz bestellt werden und ist auch als Download verfügbar. Alle Details finden Sie auf der Website der Armutskonferenz.

In diesem Beitrag sollen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Konzept der Solidarischen Ökonomie und der Landschaft Sozialer Unternehmen in Österreich untersucht werden. Dabei möchten wir im Besonderen auf gemeinnützige Soziale Unternehmen aus dem arbeitsmarktpolitischen Bereich eingehen – auf sozialökonomische Betriebe und gemeinnützige Beschäftigungsprojekte. Diese Organisationen sind nicht profitorientiert und beschäftigen arbeitsmarktferne Menschen, um sie mit Hilfe einer zeitlich befristeten Beschäftigung und sozialarbeiterischer Betreuung langsam wieder an den Arbeitsmarkt heranzuführen. Das Ziel einer sogenannten Transitbeschäftigung in diesen Unternehmen ist die Vermittlung zu einem Arbeitsplatz im regulären Arbeitsmarkt.

Solidarische Ökonomie und Social Business als alternative Wirtschaftsformen

Sowohl Solidarische Ökonomie als auch Social Business und Soziale Unternehmen werden – jeweils von sehr unterschiedlichen Akteur_innen – als alternative und zukunftsorientierte Formen des Wirtschaftens in einer kapitalistischen Ökonomie gesehen. Oft werden diese Begriffe aber auch verquickt, jeweils vereinnahmt und sind anfällig für Konflikte im Inneren sowie für Vereinnahmungsversuchen von Außen. (vgl. Exner / Kratzwald 2012: 9)

Der rund um Social Entrepreneurship und Soziale Unternehmen geführte Diskurs ist dabei oft sehr unpolitisch und beschränkt sich auf die Lösung sozialer Probleme durch das unternehmerische Denken und Handeln von außergewöhnlichen Unternehmer_innenpersönlichkeiten. „Every single problem can be converted to a social business“ meint Muhammad Yunus und definiert Soziale Unternehmen ohne weitere Einschränkungen als „non-loss, non-dividend company that is created to address and solve a social problem“. Überspitzt zusammengefasst gäbe es für jedes Problem ein passendes Geschäftsmodell, welches nur durch innovative Unternehmer_innen entdeckt und entwickelt werden müsste. So verleitend einfach dieses Modell klingt, so gefährlich kann es werden, wenn der Staat aus seiner gesellschafts- und sozialpolitischen Verantwortung entlassen und die strukturellen Ursachen für Ungerechtigkeit und soziale Probleme ignoriert werden. Habisch hat unserer Ansicht nach völlig recht: „Gesellschaftliche UnternehmerInnen können und wollen (und sollen Anm. d. A.) (sozial-)staatliches Handeln nicht breitflächig ersetzen. (…) Es ist der Sozialstaat, der die innovativen Impulse gesellschaftlichen Unternehmertums institutionalisieren und mithin ‚auf Dauerbetrieb’ umstellen kann.“ (Habisch 2011: 58)

In den Diskussionen rund um das Thema Solidarische Ökonomie tritt Gemeinschaft, freiwillige Kooperation und Solidarität an die Stelle der für Social Entrepreneurship oft prägenden Unternehmer_in. Sven Giegold definiert die Solidarische Ökonomie als „Formen des Wirtschaftens, die menschliche Bedürfnisse auf Basis freiwilliger Kooperation, Selbstorganisation und gegenseitiger Hilfe befriedigen. Das Prinzip der Solidarität steht dabei im Gegensatz zur Orientierung an Konkurrenz, falsch verstandener, da unsolidarischer Eigenverantwortung und Gewinnmaximierung in kapitalistischen Marktwirtschaften.“ (Giegold 2012: 266) In den oft stark lokal verwurzelten solidarökonomischen Unternehmen geht es also vor allem um die Befriedigung von menschlichen Bedürfnissen und nicht um den erwirtschafteten Gewinn. Das Motiv und Ziel ihres Wirtschaftens ist zum Beispiel die Schaffung von Wohnraum, Produkten oder Arbeitsplätzen. Anstelle des Kapitals steht die Arbeit und Entwicklung der Menschen im Zentrum der Unternehmen, wobei gemeinschaftlich und demokratisch über die Nutzung von Ressourcen und Produktionsmitteln entschieden wird. (vgl. Voß 2010: 11-19)

Die von uns zusammenfassend und vereinfachend als Soziale Unternehmen bezeichneten sozialökonomischen Betriebe, gemeinnützigen Beschäftigungsprojekte oder gemeinnützigen Beratungs- und Betreuungseinrichtungen im arbeitsmarktpolitischen Bereich erfüllen natürlich nicht die wichtigsten Eigenschaften um als Teil der Solidarischen Ökonomie bezeichnet zu werden: ihnen mangelt es vor allem an einer demokratischen Unternehmensform, in der alle Beschäftigten auf Basis von freiwilliger Kooperation und Solidarität zusammenarbeiten. Gleichzeitig passen sie aber auch nicht uneingeschränkt in die neue und „strahlende“ Welt rund um Corporate Social Responsibility (CSR) und Social Entrepreneurship, die uneingeschränkt auf die Problemlösungskraft von Unternehmen vertrauen. Sie stehen aus unserer Sicht zwischen diesen beiden Welten und könnten sich in Zukunft zu einem wichtigen Teil von alternativen und solidarischen Unternehmen in Österreich weiterentwickeln: sozialökonomische Betriebe und gemeinnützige Beschäftigungsprojekte sind bereits jetzt gemeinnützige Unternehmen, die nicht nach höchstmöglichen Profiten streben, sondern versuchen langzeitarbeitslose und benachteiligte Menschen beim (Wieder-) Einstieg in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft zu unterstützen. Trotzdem sind sie in Österreich aber immer noch hierarchisch geführte Unternehmen, während vergleichbare Betriebe in Italien oder Belgien großteils als Genossenschaften organisiert sind. Die Groupe Terre in Belgien funktioniert beispielsweise als gemeinnütziges und basisdemokratisch geführtes Unternehmen mit rund 300 dauerhaft beschäftigten Menschen. Alle Mitarbeiter_innen, die länger als ein Jahr für Terre arbeiten haben in der Generalversammlung jeweils eine Stimme und entscheiden so über den Ankauf von Produktionsmitteln, die zukünftige Entwicklung des Unternehmens und auch über das Gehalt der leitenden Angestellten.

Bei bestehenden Sozialen Unternehmen ist auch die Freiwilligkeit bei der zeitlich befristeten Beschäftigung von Transitmitarbeiter_innen nicht gesichert: laut den aktuellen Förderrichtlinien werden Transitmitarbeiter_innen den Sozialen Unternehmen durch das AMS zugewiesen und die Weigerung eine Stelle als Transitmitarbeiter_in anzunehmen kann zu einer Sperre des Arbeitslosengeldes führen. Die Transitbeschäftigung in einem Sozialen Unternehmen ist daher – wie oft von manchen Arbeitsloseninitiativen betont – im Grunde eine „Zwangsmaßnahme“.

Trotz dieser Feststellung glauben wir daran, dass Soziale Unternehmen eine Unternehmensform der Gegenwart und Zukunft sind und Potenzial haben, sich weiter an die Ideale der Solidarischen Ökonomie anzunähern: sie sind bereits jetzt Unternehmen, die in einem durch Wettbewerb, Druck und Konkurrenz geprägten Arbeitsmarkt einen Unterschied ausmachen: für viele befristet beschäftigte Transitmitarbeiter_innen, die oft zum ersten Mal in ihrem Erwerbsleben Wertschätzung, Menschlichkeit und Anerkennung erfahren, aber auch in ihrem Anspruch wirtschaftlich zu sein und ihrem Bemühen darum, ihren sozialen Integrationsauftrag durch qualitätsvolle und existenzsichernde Beschäftigung sowie durch Beratung und Bildung zu erfüllen.

Soziale (Integrations-) Unternehmen und Perspektiven zur Weiterentwicklung

Andreas Exner und Brigitte Kratzwald ist zuzustimmen, wenn sie feststellen, dass die „sozialökonomischen Betriebe in Österreich (…) eher das Gegenteil einer Alternative zum Kapitalismus“ sind. (Exner / Kratzwald 2012: 9) Sie sind entstanden um vom kapitalistischen Arbeitsmarkt ausgegrenzte Menschen aufzufangen und durch auf maximal ein Jahr befristete Beschäftigung in einem geschützten Rahmen wieder auf den regulären Arbeitsmarkt vorzubereiten. Sie bieten daher keine dauerhafte Alternative zur Erwerbsarbeit in einem durch den Kapitalismus geprägten Arbeitsmarkt. Trotzdem sind diese gemeinnützigen Unternehmen aber durch einige Elemente geprägt, die eigentlich für die Solidarische Ökonomie kennzeichnend sind:

Das Entstehen von Solidarischen Ökonomien ist oft eng mit Fehlentwicklungen in Markt und Staat verknüpft. Organisationen im Bereich der solidarischen Ökonomie entstehen „in der Regel aus der Kritik am vorhandenen Angebot des Staates oder des Marktes“ und versuchen „jene Blindstellen zu bedienen, die weder von profitorientierten Unternehmen noch von staatlichen Stellen und auch nicht über die informelle Eigenarbeit befriedigend abgedeckt werden können.“ (Anastasiadis o.J.: 1) Die Sozialwirtschaft beziehungsweise im Speziellen die gemeinnützigen Sozialen (Integrations-) Unternehmen in Österreich positionieren sich genau in diesem Bereich zwischen Staat, Markt und Eigenarbeit. Viele von ihnen entstanden ursprünglich aus Selbsthilfegruppen oder aus den Initiativen engagierter Sozialarbeiter_innen im arbeitsmarktpolitischen Bereich, die sich während der Krise in den 1970er und 1980er Jahre mit einer steigenden Arbeitslosigkeit (und damit einem Versagen von Staat und Markt) konfrontiert sahen. Die sogenannte experimentelle Arbeitsmarktpolitik und die Aktion 8000 unter Sozialminister Alfred Dallinger förderte nicht nur das Entstehen dieser Initiativen sondern sicherte auch ihr dauerhaft Bestehen und gilt als einer der wichtigsten Faktoren für die Entwicklung jener Betriebe und Organisationen, die heute als sozialökonomische Betriebe und gemeinnützige Beschäftigungsprojekte bekannt sind.

Soziale Organisationen arbeiten sehr oft mit und für Menschen, die selbst keine Lobby haben, ihre Anliegen und Forderungen kaum lautstark und vor relevanten Entscheidungsträger_innen formulieren können und ihnen zustehende Rechtsansprüche alleine nur unzureichend durchsetzen können. Sie sehen sich daher oft nicht nur als Dienstleister, sondern auch als Unterstützer_innen und Vertreter_innen der bei Ihnen beschäftigten Transitmitarbeiter_innen. Der Kostendruck durch staatliche Auftraggeber_innen stellt jedoch eine erhebliche Gefahr dar: „Die Decke zwischen wirtschaftlichem und sozialem Handeln ist hauchdünn (…). Langfristig betrachtet gefährdet eine Strategie öffentlicher Beauftragung, die alleinig auf den Preis und nicht auf die Qualität ihre Aufmerksamkeit lenkt das innovative und gesellschaftsgestaltende Element“ (vgl. Anastasiadis o.J.: 8) dieser Organisationen. Gerade diese „Anwaltschaft“ und das Eintreten für bestimmte Personen und Personengruppen in politischen Prozessen ist es aber, das unserer Meinung nach tatsächlich und langfristig „soziale Probleme an der Wurzel lösen kann“, weil Fragen von Verteilung gestellt und Machtverhältnisse verändert werden.

Gerade angesichts dieser Advocacyfunktion ist die fehlende Teilhabe und Mitbestimmung der Mitarbeiter_innen ein berechtigter Kritikpunkt an Sozialen Unternehmen. Wir sehen daher die Rechtsform der Genossenschaften als interessantes und wirksames Vorbild für die künftige Weiterentwicklung der Sozialen Unternehmen: sie würde nicht nur die Partizipation und Mitbestimmung der Mitarbeiter_innen garantieren, sondern auch Solidarität innerhalb des Unternehmens sicherstellen.

Analog dazu sollte in Zukunft anstelle des Zwangs im Zugang zu einer Transitbeschäftigung die Freiwilligkeit treten: die Transitbeschäftigung in sozialökonomischen Betrieben und gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten ist laut den aktuellen Förderrichtlinien nur nach einer Zuweisung durch das AMS möglich – bei einer Ablehnung einer zugewiesenen Stelle drohen Sanktionen wie der Entzug des Arbeitslosengeldes. Unter diesem Zwangscharakter leiden nicht nur jene Transitmitarbeiter_innen, die unfreiwillig beschäftigt werden, sondern auch das eigentliche Ziel der Sozialen Unternehmen: die Reintegration ihrer Beschäftigten in den Arbeitsmarkt, da der Zwang im Gegensatz zur Förderung und Unterstützung der Transitmitarbeiter_innen in einem geschützten Bereich des Arbeitsmarktes steht.

Wünschenswert wäre aus unserer Sicht auch der Ausbau der Schnittstellenfunktion der Transitbeschäftigung in sozialintegrativen Unternehmen als Verbindung zwischen dem regulären Arbeitsmarkt sowie einem auf dauerhaftere Beschäftigung ausgelegten Übergangsarbeitsmarkt für Menschen, die am regulären Arbeitsmarkt nicht Fuß fassen können. In Österreich ist dieser Übergangsarbeitsmarkt vergleichsweise stark ausgebaut, es existiert jedoch nur eine kleine Zahl an dauerhafteren Arbeitsplätzen. Gemeinsam mit der einseitigen Zielsetzung für sozialintegrative Unternehmen (Integration in den ersten Arbeitsmarkt) führt dies für die betroffenen Personen oft zu einem endlosen Kreislauf und der wiederholten Transitbeschäftigung ohne realistischer Chancen auf eine dauerhafte Vermittlung in den regulären Arbeitsmarkt. (vgl. Dimmel 2000: 95) Dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeiten wären der erste Schritt, um (Transit-) Mitarbeiter_innen auch in Bezug auf Beteiligung und Teilhabe anders in die Unternehmen zu integrieren als bisher.

Neben dem Drehen an kleinen Schrauben – wohin könnte die Reise für Soziale Unternehmen gehen? Welche ersten Schritte hin zu einer solidarökonomischen und commonsbasierten Produktionsweise könnten Soziale Unternehmen gehen? Exner und Kratzwald unterscheiden commonsbasierte Produktionsweisen und Entscheidungsstrukturen auf jeweils unterschiedlichen Organisationsniveaus. (vgl. Exner / Kratzwald 2012: 92)

Einerseits gibt es die schon erwähnte Organisationsform der Genossenschaft oder Kooperative, die auf sozialer Gleichheit der Mitglieder und freiwilliger Kooperation basiert. Ziel ist nicht die Kapitalverwertung sondern die Förderung der Mitglieder, es herrscht das Identitätsprinzip (Käufer_in und Verkäufer_in, Mieter_in und Vermieter_in etc. fallen in einer Rolle zusammen) und außerdem das Demokratieprinzip. Exner und Kratzwald betonen aber, dass Genossenschaften, solange sie in die Marktwirtschaft eingebunden sind, keine Solidarische Ökonomie bilden, sondern lediglich ein entscheidender Schritt in Richtung einer Solidarischen Postwachstumsökonomie sein könnten beziehungsweise für eine Solidarische Ökonomie förderlich sein können, wenn sich Kooperativen in sozialen Kämpfen mit dem Ziel der Aneignung von Ressourcen verorten. (vgl. Exner / Kratzwald 2012: 95)

Einige internationale Beispiele von Kooperativen gehen in Bezug auf die Prinzipien des Commoning und der Solidarischen Ökonomie weiter: So beispielsweise das Netzwerk der Kooperativen in Venezuela CECOSESOLA, die das Profitprinzip gänzlich ablehnt, über kein Management verfügt und wo es den Mitgliedern wesentlich um die Herausbildung neuer sozialer Beziehungen gegen die Muster der patriarchalen und von Machthierarchie geprägten Gesellschaft geht. Die Mondragón Corporación Cooperativa im Baskenland ist ein anderes Beispiel, zu dem es aber auch viele kritische Stimmen und Untersuchungen gab, was beispielsweise die Rolle des Managements oder auch die Diskriminierung von Frauen betrifft. Ein anderes Beispiel ist die jüdische Kibbutz-Bewegung, die vor allem im urbanen Raum wieder stärkeren Zulauf erfährt. (vgl. Exner / Kratzwald 2012: 101 – 104)

Ein Patentrezept für das Commoning im Bereich der (Solidarischen) Ökonomie gibt es vermutlich nicht. Exner und Kratzwald folgern in ihrem Buch dass „Veränderung nur gelingen kann, wenn praktische Lösungen für die Bewältigung der Widersprüche zwischen Kooperation und Konkurrenz, konstituierender und konstituierter Macht, zwischen Commons und Kapital gefunden werden.“ (Exner / Kratzwald 2012: 124 – 125) Entscheidend für eine gelungene Lösung jenseits von Markt und Staat ist weniger die jeweilige Organisationsform, als vielmehr die Perspektive der Beteiligten und das Verhältnis zum bestehenden System, die als Grundlage dienen können um Tätigkeiten des Commoning im wirtschaftlichen Leben und in der konkreten Arbeitsumgebung zu identifizieren, zu stärken und weiterzuentwickeln. Die Grundfrage ist also die, ob eine Unternehmensalternative die jeweilige Autonomie der Beteiligten erhöht und ihnen neue Verwirklichungschancen jenseits von Markt und Staat zur Verfügung stellt. Es geht daher immer auch um (übergreifende) soziale Kämpfe und Aushandlungsprozesse.

Soziale Unternehmen der Sozialwirtschaft haben unserer Meinung nach ein großes Potential diese Prinzipien zu entdecken, zu erlernen und umzusetzen, weil sie bereits jetzt einige wesentliche entscheidende Unterschiede zu herkömmlichen, konkurrenz- und profitorientierten Unternehmen aufweisen und nicht zuletzt auch deshalb, weil die Frage nach sozialen Kämpfen und Fragen von Verteilungsgerechtigkeit zumindest in der Gründungsidee vieler Sozialer Unternehmen eine sehr zentrale Rolle gespielt hat und weiterhin spielt.

Literatur

  • Anastasiadis, Maria (o.J.): Solidarische Ökonomie. Bestandsaufnahme und Perspektiven in Österreich. (abgerufen am 26. Mai 2013)
  • Birkhölzer, Karl (2006): Soziale Unternehmen: Ausweg aus Arbeitslosigkeit, Armut und Ausgrenzung? In: Altvater, Elmar / Sekler, Nicola (Hg.): Solidarische Ökonomie. Reader des Wissenschaftlichen Beirats von Attac. Hamburg.
  • Dimmel, Nikolaus (2000): Gemeinnützige Zwangsarbeit? Arbeitsmarktintegration zwischen Arbeitspflicht und innovativen Beschäftigungsmaßnahmen. Wien.
  • Edwards, Michael (2008): Small Change. Why Business won´t save the world. San Francisco.
  • Exner, Andreas / Kratzwald, Brigitte (2012): Solidarische Ökonomie & Commons. Wien.
  • Giegold, Sven (2012): Solidarische Ökonomie. In: Brand, Ulrich / Lösch, Bettina / Opratko, Benjamin / Thimmel, Stefan (Hg.): ABC der Alternativen 2.0. Hamburg.
  • Habisch, André (2011): Gesellschaftliches Unternehmertum – Blinder Fleck wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Gemeinwohltheorien. In: Hackenberg, Helga / Empter, Stefan (Hg.): Social Entrepreneurship – Social Business: Für die Gesellschaft unternehmen. Wiesbaden. 49-66.
  • Ostrom, Elinor (2011): Was mehr wird, wenn wir teilen. Vom Gesellschaftlichen Wert der Gemeingüter. München.
  • Pühringer, Judith / Philipp Hammer (2013): Soziale Unternehmen und die Ökonomie der Aufmerksamkeit. In: Kurswechsel 2/2013.
  • Voß, Elisabeth (2010): Wegweiser Solidarische Ökonomie. Anders Wirtschaften ist möglich! Neu-Ulm.

Armutskonferenz: Soziale Schere schadet der ganzen Gesellschaft

„Geht die Schere zwischen arm und reich auf, heißt das mehr Krankheiten und geringere Lebenserwartung, mehr Teenager-Schwangerschaften, mehr Status-Stress, weniger Vertrauen, mehr Schulabbrecher, vollere Gefängnisse, mehr Gewalt und mehr soziale Ghettos“, weist die Armutskonferenz zum UN-Tag gegen Armut darauf hin, dass „die soziale Schere für viel zu viele Menschen Zukunft abschneidet“. Die soziale Schere zwischen Arm und Reich schadet der ganzen Gesellschaft.

Auch der Internationale Währungsfonds, die Weltbank oder die OECD weisen auf den Preis sozialer Polarisierung hin:

Zunehmende Ungleichheit schwächt die Wirtschaftskraft eines Landes, sie gefährdet den sozialen Zusammenhalt und schafft politische Instabilität – aber sie ist nicht unausweichlich (OECD)

Soziale Investitionen zahlen sich aus: Bildung, Pflege, Wohnen, Gesundheit

Niemand ist offiziell für Armut. Aber Armut wird mittlerweile einfach in Kauf genommen, kritisiert die Armutskonferenz. Doch wir könnten viel tun. Armut ist kein Naturereignis, das es mit jeder frischen Statistik neu zu bestaunen gilt. Es gibt genügend Instrumente und Möglichkeiten in der Schule, beim Wohnen und mit sozialen Dienstleistungen gegenzusteuern.

Grundsätzlich helfen Einkommensarmen Investitionen in Dienstleistungen, die sie im Alltag unterstützen: von der Kinderbetreuung, der Frühförderung, Beratungsangebote für Menschen in sozialen Notlagen, oder auch Wohnangebote für Jugendliche, die es im Leben schwerer haben, Schuldenberatung bis hin zu Pflegehilfen. Hier entstehen Win-win-Situationen zwischen Einkommen, Arbeitsplätzen, Frühförderung von Kindern und Pflegeentlastung Angehöriger. Auch ein Bildungssystem, das den sozialen Aufstieg fördert und nicht sozial selektiert, wirkt. Auf die neuen sozialen Risken wie prekäre Jobs oder psychischen Erkrankungen muss angemessen sozialpolitisch reagiert werden. Und nicht zuletzt helfen Jobs, von denen man leben kann, so die Armutskonferenz.

Und im Gesundheitsbereich gibt es eine Reihe von Baustellen: Die bessere Versorgung mit psycho-sozialen Notdiensten – gerade im ländlichen Bereich; leistbare Psychotherapie-Angebote; uneingeschränkter Zugang zu Gesundheits- und Rehabilitationsmaßnahmen für Menschen mit multiplen Beeinträchtigungen und die Schließung der Krankenversicherungslücke.

Verwaltungs- und Demokratiepaket für und mit Armutsbetroffenen

Bei Verwaltungsreform und Demokratiepaket dürfen diejenigen nicht vergessen werden, die eine gute Verwaltung und gleichen Zugang zum Recht – egal ob arm oder reich –  am meisten brauchen. Ein bürgerfreundliches und grundrechtsorientiertes unteres soziales Netz verbessert den Zugang. Barrieren auf den Ämtern verlängern die Notsituation. Gerade bei AMS oder Sozialamt sind verbesserte Rechtschutzangebote dringend erforderlich. Sozialanwaltschaften analog zu den Patientenanwaltschaften können zum Beispiel Ombudstelle und Rechtschutz für Betroffene sein.

Bürgerräte (wie zur Zeit in Vorarlberg erprobt) können Einblicke und Lösungen erbringen, an die vorher nicht gedacht wurde. Sie beteiligen BürgerInnen aller Schichten, Einkommen und Herkunft an entscheidenden Fragen des Gemeinwesens. Die Unterstützung von Selbstorganisation und der Bildung von Selbsthilfegruppen ist hier zentrale Voraussetzung für Partizipation und Mitbestimmung, so die Armutskonferenz abschließend.

Armutskonferenz: Erkenntnisse aus dem Sozialbericht 2011-2012

Aus dem gestern präsentierten Sozialbericht zur sozialen Lage in Österreich zieht die Armutskonferenz, das österreichische Netzwerk gegen Armut und soziale Ausgrenzung, drei Schlüsse:

Bedrückende und ausgrenzende Lebenssituationen steigen

Die manifeste Armut und die Dauer der Armut nimmt zu. Steigende Ausgaben in den zentralen Positionen Wohnen, Energie und Ernährung machen große Probleme, gesundheitliche Beeinträchtigungen und psychische Erkrankungen, schlechte und prekäre Jobs, Einsamkeit und Beschämung machen einer wachsenden Zahl von Menschen zu schaffen. Einschränkung in zentralen Lebensbereichen heißt: Die Betroffenen können abgetragene Kleidung nicht ersetzen, die Wohnung nicht angemessen warm halten, geschweige denn unerwartete Ausgaben tätigen. Außerdem sind arme Menschen häufiger krank und leben in feuchten, schimmligen Wohnungen, weil beispielsweise das Geld für eine Wohnraumsanierung fehlt. Chronische Armut nimmt Zukunft. Menschen, die am Limit leben, haben geringere Aufstiegschancen. Ihre Zukunft wird von der sozialen Herkunft bestimmt. In Österreich haben Kinder armer Menschen eine schlechtere Chance auf eine gute Ausbildung – der soziale Status der Eltern beeinflusst in den meisten Fällen die Bildungs- und damit die Einkommenschancen der Kinder.

Sozialstaatliche Instrumente können soziale Folgen der Krise bremsen

Die Haushalteinkommen bleiben insgesamt stabil. Die Einkommensarmut wird sogar reduziert. Ohne Sozialleistungen wären auch mittlere Haushalte massiv unter Druck und stark abstiegsgefährdet. Was wir bei der Einkommensmessung aber nicht sehen, sind die Ausgaben. Besonders die Bereiche Wohnen, Energie und Ernährung sind inflationsbedingt am stärksten gestiegen. Das sind genau jene Ausgaben, die in Armutshaushalten den größten Teil des Monatsbudgets ausmachen.

Soziale Schere geht auf

Sowohl innerhalb der Lohneinkommen, aber besonders was das Vermögen betrifft. Es zeigt sich eine äußerst hohe Konzentration der Vermögen ganz oben. Die obersten 5% besitzen die Hälfte des gesamten Vermögens, die untersten 50% gemeinsam bloß 4%. Erben ist einer der wichtigsten Vermögensquellen. Die Nationalbank weist darauf hin, dass Besitzer hoher Geldvermögen nur eingeschränkt erfasst werden. Die tatsächliche Ungleichverteilung ist demnach noch viel größer.

Weitere Informationen und zahlreiche Statistiken und Dokumente zum Thema Armut finden Sie auf der Website der Armutskonferenz.

Was allen gehört. Armut bekämpfen durch Gemeingüter und Kooperation

Künstlerische Intervention präsentiert zum Abschluss der 9. Armutskonferenz zum Thema Commons

Gut für alle! Was mehr wird, wenn wir es teilen. Almende. All diese Begriffe knüpfen an die Forschungen der Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom an, die die Bedeutung von Gemeingütern für eine faire und gerechte Gesellschaft herausgearbeitet hat. Gemeingüter sind Grundbestand und Voraussetzung gesellschaftlichen Wohlstands: Gerade in krisenbestimmten Zeiten – von der Umwelt, über die Energie bis zur Staatsschuldenkrise – zeigt sich die Bedeutung von „Commons“. Natürliche Gemeingüter sind notwendig für unser Überleben, soziale Gemeingüter sichern den Zusammenhalt und kulturelle Gemeingüter sind Bedingung für unsere individuelle Entfaltung.

Weitere Informationen und die Dokumentation zur 9. Armutskonferenz finden Sie demnächst hier.