Psychotherapeutin Rotraud A. Perner: Plädoyer für den Mut zur Wahrheit

Wie reagieren, wenn es im beruflichen Alltag eng wird und die Anforderungen übermächtig werden? „Es gibt einen Klassenunterschied zwischen denen, die die Spielregeln machen und denen, die das nicht können. Das führt zu belastenden Situationen, zu einem Gefühl der Zerrissenheit“, sagt die bekannte Psychotherapeutin und erfahrene Supervisorin Rotraud A. Perner in ihrem Gastvortrag im Rahmen der 1. Fachschlüsselkräfte-Tagung in Salzburg.

Bei Konflikten zwischen Auftrag und dem, was zumutbar ist, rät Perner, zunächst „Ganz bei sich zu bleiben und den eigenen Gefühlen zu vertrauen: „Wenn ich wahrnehme, in welcher Situation ich mich momentan befinde, kann ich überlegen, wie ich reagiere“, so die Psychotherapeutin. „Wir werden auf Unterwerfung erzogen, aber um gesund zu bleiben müssen wir prüfen, ob das, was von uns verlangt wird, Sinn macht.“ Ihr Rat an die Anwesenden: „Wenn Ihr Herz sagt, da stimmt was nicht, überlegen Sie, wie Sie es ändern, wo Sie Verbesserungsvorschläge machen können.“ Auch Anpassung sei eine Option, aber auch dies solle eine aktive, persönliche Entscheidung sein. Erwartungen könne nur erfüllen, wer die nötigen Ressourcen dazu habe – Spielraum, Zeit, soziale Gemeinschaft.

Trotzdem im Geben bleiben

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Rotraud A. Perner: “Wenn mir die Kraft ausgeht schaue ich, dass ich trotzdem im Geben bleibe”

„Wenn mir die Kraft ausgeht, schaue ich, dass ich trotzdem im Geben bleibe, denn nur dann bekomme ich etwas zurück“, weiß die Psychotherapeutin aus Erfahrung: „Was wir heute brauchen ist Zusammenhalt, nicht Auseinanderdividieren. Wenn man in einer belastenden Situation steckt, darf man sich nicht zusätzlich Beziehungsstress machen.“

Im Umgang mit den TransitmitarbeiterInnen rät Perner zu völliger Offenheit: „Sagen Sie lieber: ,Bei der angespannten Arbeitsmarktlage werden Sie vermutlich nur miese Jobs bekommen´, als den Menschen falsche Hoffnungen zu machen. Die Menschen halten die Wahrheit aus.“

Auch für den Umgang mit sich selber hat Perner einen wertvollen Tipp parat: Sie rät, sich vom Drehbuch der Eltern zu befreien und seine eigene Rolle zu entwickeln. Denn: „Es tut uns allen gut, wenn wir herausfinden, wie viele Möglichkeiten wir noch nicht entdeckt haben.“