Plattform „Sichtbar Werden“: Ein ganzes Leben voller Tätigkeiten

„Jede Arbeit ist wertvoll – egal, ob bezahlt oder unbezahlt“: Mit dieser zentralen Botschaft der Aktion „Auch das ist Arbeit“ können die TeilnehmerInnen am Treffen der Plattform „Sichtbar Werden“ viel anfangen. Rund 25 Menschen sind Mitte April auf Einladung der Armutskonferenz in Wien zusammengekommen, um sich auszutauschen und neue Aktivitäten zu planen. Sie alle haben Armuts- und Ausgrenzungserfahrung – und sie alle möchten sich nicht an den Rand drängen lassen, sondern ihr Leben selbstbestimmt und als sichtbarer Teil der Gesellschaft führen.

Vertreter*innen der Plattform Sichtbar werden bei einer Aktion in Wien

„Wir haben ein ganzes Leben voller Tätigkeiten. Das nur auf die bezahlten Tätigkeiten, also die Erwerbstätigkeit einschränken, ist viel zu kurz gegriffen“, spricht Herbert Fuxbauer aus, was hier alle denken. „Würde ich nicht meine Enkel betreuen, dann könnte meine Schwiegertochter nicht arbeiten gehen, weil es für Kinder nach der Volksschule keine Kinderbetreuung gibt“, sagt auch Regina Amer. „Das finde ich schlimm. Sie hat das Glück, dass ich nicht arbeiten gehe, denn sonst könnte sie nicht arbeiten gehen und keine Pensionszeiten sammeln”, meint die zur Zeit erwerbslose Wienerin.

Eine Teilnehmerin betont die Bedeutung von Schriftstellerei und Kunst. Denn immer, wenn die Politik zu repressiv würde, dann sei der Kunstbereich ein Raum, wo sich Menschenrechte und Freiheitsbezüge ihrer Meinung nach hinflüchteten.

Gesellschaftlich wichtige Wertearbeit

„Für mich ist auch die Pflege von Angehörigen eine sehr wertvolle unbezahlte Arbeit, die in der Gesellschaft nicht so wertgeschätzt wird“, ergänzt Claudija Krizmanic: „Man müsste sie mehr anerkennen, weil sie ein sehr wichtiger Beitrag für unsere Gesellschaft ist.“ Und ein weiteres Gruppenmitglied betont: „Wir hören in den Medien in der letzten Zeit sehr viel über Wertekurse für Migrantinnen und Migranten. Daher soll die Leistung von Müttern und Vätern auch anerkannt werden, die ihren Kindern diese Werte klarmachen und vorleben. Das ist auch Arbeit, gesellschaftlich sehr wichtige Arbeit.“

In Würde leben

Rasch wird klar, dass es nicht nur ehrenamtliches Engagement und die Versorgung der Familie, sondern häufig auch einfach der harte Alltag ist, der für armutsbetroffene Menschen echte Arbeit bedeutet: „Jemand der noch nicht in Armut leben musste, der kann sich gar nicht vorstellen, wie viel Energie es kostet und wie viel Arbeit es ist, um überleben zu können“, ist Rudi Lehner überzeugt. Von der Regierung fordert er deshalb, bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen, die es ermöglichen, in Würde zu leben. Dann bestehe auch nicht die Gefahr, „dass diese Mindesthilfen, die es momentan gibt, auch noch gekürzt werden und die Neiddiskussion hätte ein Ende.“

Eine Anwesende spricht in diesem Zusammenhang das „Container Diving“ an, wie das Fischen von verwertbaren Lebensmitteln aus dem Müll genannt wird: „Ich finde es ganz wichtig, weggeworfene Nahrungsmittel zu verwerten und die Scheu davor zu nehmen, dass diese unter Umständen schon im Müllcontainer waren. Da geht es um hunderttausende Tonnen. Das ist bei mir nicht ehrenamtlich, denn mit Ehre hab ichs nicht so und freiwillig ist es auch nicht, denn es ist armutsgeschuldet. Aber es ist eigenständig und dieser Begriff ist mir ganz wichtig.“

Traude Lehner engagiert sich politisch und ist bei der Straßenzeitung Augustin aktiv: „Also mir kann nie langweilig werden. Nur leider, wenn das alles bezahlt würde, dann könnten wir schön leben. Aber so müssen wir jeden Tag kämpfen“, bringt sie ihre Erfahrung auf den Punkt.

„Man könnte fordern, dass die Regierung in Zukunft selbst nur mehr ehrenamtlich arbeitet“, sagt ein Mitglied der Gruppe zum Abschluss der Diskussion, freilich nicht ganz ernst gemeint. Und eine weitere Person ergänzt augenzwinkernd: „Und dass Unterstandslose wenigstens eine soziale Hängematte bekommen.“

Mehr Informationen zur arbeit plus-Aktion “Auch das ist Arbeit” finden Sie hier