PE-Tagung: Rotraud A.Perner plädiert für eine andere Wertepyramide

Rotraud A. Perner, bekannte Psychotherapeutin und erfahrene Supervisorin von MitarbeiterInnen in Sozialprojekten, kennt die Probleme, mit denen sich SozialpädagogInnen in der modernen, „entsolidarisierten und individualisierten  Gesellschaft“ (Perner) herumschlagen:  Schwierigste Rahmenbedingungen, hoher Leistungsdruck und in der Regel kaum gesellschaftliche Anerkennung. „Die menschlichen, kooperativen und dialogischen Ansätze der 1990er Jahre bekommen jetzt wieder Abstriche. Wer sich für die Außenseiter einer Gesellschaft einsetzt, wird schnell selbst ausgegrenzt – auch, wenn die so genannten Außenseiter eigentlich die Mehrheit sind“, so Perner.

Perner02Vor diesem Hintergrund warnte die ehemalige Uniprofessorin für Prävention und Gesundheitskommunikation sowie Erfinderin der PROvokativpädagogik (www.perner.info) in ihrem Eröffnungsvortrag auf der 6. PE-Tagung  im Linzer Wissensturm zum Thema „Gesundheit&Resilienz“ auch vor einer falsch verstandenen Stärkung der Resilienz. Eigentlich meint Resilienz (vom Lateinischen „resilire“ – zurückspringen, abprallen) die Widerstandsfähigkeit im Sinne der Fähigkeit, mit negativen Veränderungen umgehen zu können. Perner spricht lieber von „Stehaufmanderln und „Stehaufweiberln“ . Und davon, dass nach der selbstausbeuterischen, leistungsorientierten und autoritären Gesellschaft bis weit in die 1960er und 70er Jahre  und dem darauffolgenden Umdenken Resilienz keinesfalls dazu verwendet werden dürfe, „uns wieder dazu zu bringen, nicht auf die gesundheitlichen Folgen von Anpassungsdruck zu schauen.“ Im Gegenteil: „Ich schaue auf mich, schon allein deshalb, um nicht den Fehler der Selbstschädigung zu machen. Ich beharre trotzdem auf meiner Erfahrung weiter, bleibe trotzdem mit dem anderen in Kommunikation“, so Perner.

Neudefinition der Werte tut Not

Gesamtgesellschaftlich würden die aktuellen Machtverhältnisse derzeit verhindern, dass statt der elitären Spitze die breite Basis der Bevölkerung ins Blickfeld rücke und somit auch besser gefördert werde. „Wir haben unfaire soziale Bedingungen und da sind wir dort mitbeteiligt, wo wir schweigen, wenn wir reden sollten“, plädierte Perner für eine „andere Pyramide mit anderen Werten.“
Um gegen unfaire Bedingungen konstruktiv Position zu beziehen, riet die Gesundheitspsychologin den Anwesenden, es mit Pippi Langstrumpf zu halten: „Pippi lässt sich nicht zwangsanpassen, sie spricht Dinge an, die andere verschweigen. Sie ist lustig, kreativ und selbstbewusst.“ Davon kann man sich auch ohne Superkräfte eine Menge abschauen: Humor ist Perner zufolge eine wichtige Quelle der Resilienz. In gefährlichen Situationen gehe es vor allem darum, andere Verhaltensweisen als das übliche Kämpfen- Flüchten-Totstellen  zu entdecken, beispielsweise sich zu distanzieren oder auch sprachlich zu verhandeln: „Jemandem zu sagen: ,Ich finde das nicht richtig, wie Sie mich behandeln. Bitte behandeln Sie mich respektvoll´ ist nicht kämpfen, sondern Position beziehen. Das funktioniert fast immer“, nennt Perner ein Beispiel. Und: „Auch Nichtstun kann eine Entscheidung sein. Aber sie sollte aktiv getroffen werden.“