Kommentar: Was Soziale Unternehmen brauchen

Soziale Unternehmer sind in vielem gefordert. Wie steht es mit dem Zugang zu Finanzierung, den rechtlichen Rahmenbedingungen?  Ein “Standard”-Kommentar von bdv austria-Geschäftsführerin Judith Pühringer

Die Frage, ob wir soziale Unternehmen eigentlich brauchen, wird in Zeiten multipler Krisen schon fast intuitiv von vielen mit Ja beantwortet. Was umgekehrt soziale Unternehmen brauchen, um überhaupt zu entstehen und vor allem um bestehen zu können, ist wesentlich trickreicher: Es bedarf eines ganzen Blumenstraußes an politischen und rechtlichen Maßnahmen, unternehmerischer Vorhaben, guter Ideen und vor allem Brückenbauern zwischen den Welten.Eine der wichtigsten Maßnahmen für die Sache der sozialen Unternehmen ist die Anerkennung, politische Verteidigung und gleichzeitig umfangreiche Darstellung der ungeheuer komplexen direkten und indirekten Wirkungen sozialer Investitionen und sozialer Unternehmen aller Art.

Im Großen, im Individuellen

Diese Wirkungen reichen von langfristigen Beiträgen zur Armutsbekämpfung durch die Schaffung von sozialen Dienstleistungen und Arbeitsplätzen, Beiträgen zur Entlastung des öffentlichen Budgets bis hin zu positiven Wirkungen von Teilhabe und Beteiligungsmöglichkeiten in Regionen, sozialen Systemen und höchstpersönlichen Lebenszusammenhängen.

Einige komplexe soziale Problemstellungen können tatsächlich durch soziale Unternehmen dauerhaft und effektiv gelöst werden, Langzeitarbeitslosigkeit beispielsweise. Soziale Unternehmen, die Langzeitarbeitslose beschäftigen, können Menschen einen existenzsichernden Job bieten und im besten Fall eine Perspektive am Arbeitsmarkt, die es sonst für Menschen mit niedriger Qualifizierung oder höherem Alter so nicht mehr gibt.

Momentan wird so ein Job im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik befristet gefördert – das bedeutet angesichts der Situation am Arbeitsmarkt sehr oft weitere Episoden an Arbeitslosigkeit. Je attraktiver die Märkte sind, auf denen sich soziale Unternehmen mit ihren Dienstleistungen und Waren bewegen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit höherer Erlöse und damit auch höherer Reinvestitionen in den Zweck des Unternehmens: die Schaffung neuer Arbeitsplätze, und zwar dauerhaft für jene, die bleiben wollen.

Genau hier wären Innovation und Zusammenarbeit mit “der Wirtschaft” gefragt. Solange soziale Unternehmen in Nischen gedrängt werden und unter den Verdacht “unlauterer Konkurrenz” gestellt werden, bleibt ihr Wirkungsradius viel zu klein. Dabei gibt es spannende internationale Beispiele dafür, dass klassische Industrie- und Wirtschaftsunternehmen erfolgreich mit sozialen Unternehmen im großen Stil kooperieren, ins Ausland ausgelagerte Dienstleistungen wieder zurückverlegen, gemeinsame Sache machen und wechselseitig voneinander lernen.

Was soziale Unternehmen brauchen

Selten treffen in Österreich soziale Unternehmen auf Banken und Finanzinstitute, die ihre spezifische Situation als soziales Unternehmen nicht nur kennen, sondern auch souverän unterstützen, womit wir bei einer zentralen Herausforderung angekommen sind: dem Thema Finanzierung. Wie können soziale Unternehmen überhaupt gegründet werden, und wie kann eine Start-up-Kultur geschaffen werden? Wie stellen wir gleichzeitig sicher, dass zentrale Bereiche der Daseinsvorsorge gut öffentlich und politisch abgesichert finanziert bleiben?

Soziale Unternehmen brauchen ein modernes rechtliches Rahmensystem, das Gemeinnützigkeit definiert, passende Rechtsformen wie zum Beispiel Genossenschaften fördert und steuerliche Rahmenbedingungen, die es mehr Stiftungen und privaten Investoren ermöglichen, gemeinnützig tätig zu sein.

Nicht zuletzt braucht es Menschen, die sich sicher, kompetent und unbestechlich durch die vielen Welten, die im sozialen Unternehmertum zusammenspielen, bewegen können und als Übersetzer, Überblicksbewahrer und Visionäre fungieren. Ein erstes Positionspapier wurde in Österreich bereits mit wesentlichen Stakeholdern entwickelt und diskutiert – offene und tatkräftige politische Arme für den bunten Strauß an Vorschlägen werden noch gesucht.

PS: Diesen Beitrag und weitere Beiträge der “Standard”-Serie finden Sie hier