Keine klaren Zielsetzungen für Europas Sozialwirtschaft

Derzeit gäbe es keine klare Zielsetzung bezüglich der Sozialen Unternehmen, sagte der Vertreter der Europäischen Kommission, Jacopo Lombardi (Mitte).

Keine guten Nachrichten hatte Jacopo Lombardi von der EU Kommission für Beschäftigung, Soziales und Inklusion, für die Anwesenden der Generalversammlung des Europäischen Netzwerks für Soziale Integrationsunternehmen (ENSIE) parat, die im Juni in Barcelona über die Bühne ging: Lombadi war als Gast geladen und berichtete, dass sich die neue EU-Kommission noch im Aufbau befände und es derzeit keine klaren Zielsetzungen für Soziale Integrationsbetriebe gäbe. Unter Berufung auf die „Social Business Initiative“ der Europäischen Union aus dem Jahr 2011 drückte er sein Bedauern darüber aus, dass es derzeit schwierig sei, die dort beschlossenen Maßnahmen in den EU-Mitgliedsstaaten auch umzusetzen.

Derzeit hat die Sozialwirtschaft keinen großen Stellenwert in der politischen Ausrichtung der neuen Europäischen Kommission. Einen Lichtblick gibt es aber: Die Luxemburgische Präsidentschaft (Juli-Dezember 2015) plant für Dezember 2015 eine große Sozialwirtschaftskonferenz.

Andere Länder, andere Sitten

Die TeilnehmerInnen der ENSIE-Generalversammlung tauschten sich über aktuelle Entwicklungen aus.

Wie unterschiedlich die Regeln für arbeitsmarktintegrative Soziale Unternehmen in verschiedenen europäischen Ländern gegenwärtig sind, wurde bei der Generalversammlung wieder einmal mehr als deutlich: VertreterInnen aus 22 Mitgliedsnetzwerken und 18 Ländern nahmen teil und berichteten über die neuesten Entwicklungen in ihren Ländern: In Belgien(Flandern) wurde die Unterscheidung in „behinderte“ und „benachteiligte“ Menschen aufgehoben. Es gilt nunmehr dasselbe Förderinstrumentarium für alle. In Portugal wurde die Förderung von Sozialen Integrationsbetrieben zur Gänze gestrichen. Gelder, die eigentlich für die Sozialwirtschaft vorgesehen waren, fließen zum größten Teil in den privaten Sektor. Derzeit ist unklar, wie es für die Sozialen Unternehmen weitergeht. Spanien unterstützt die Integration von benachteiligten Personen in den ersten Arbeitsmarkt (nach einem Aufenthalt in einem Integrationsbetrieb) mit einer Reduktion der Abgaben für soziale Sicherheit ( um 1650 Euro im Jahr ersten Jahr und je 600 Euro in den beiden Folgejahren.) In Frankreich ziehen sich die Kommunen derzeit sehr stark aus der Finanzierung von Sozialen Betrieben zurück. Es gibt einen Wettbewerb um nationale Fördergelder mit der Privatwirtschaft. Manche private Betriebe betreiben dort leider „social washing“, das bedeutet, sie hängen sich ein “soziales Mäntelchen” um, um Fördergelder zu lukrieren. In Großbritannien setzt sich der langjährige Trend fort, dass sich Soziale Unternehmen selbst finanzieren müssen und kaum öffentliche Unterstützung erhalten.

Neue Richtlinie zur Auftragsvergabe

Ein eigenes Seminar beschäftigte sich im Anschluss an die Generalversammlung unter anderem mit der neuen EU-Richtlinie zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Die Stadt Barcelona ist schon seit Jahren führend in der Berücksichtigung von benachteiligten Personengruppen bei der Auftragsvergabe und hat dazu sogar ein eigenes Gesetz gemacht. Auch in Belgien werden soziale Kriterien bei manchen Ausschreibungen berücksichtigt. In Italien gibt es Direktvergaben an Soziale Unternehmen  bis zu einer Grenze von 200.000 Euro. Auch in Amsterdam werden Soziale Betriebe bei der öffentliche Auftragsvergabe in besonderer Weise berücksichtigt, um die Beschäftigung von benachteiligten Personen zu fördern.

„In Österreich machen wir uns für einen Leitfaden und einen Katalog für die Berücksichtigung von sozialen Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge stark. So wollen wir sicherstellen, dass Bund, Länder und Gemeinden diese auch tatsächlich berücksichtigen“, so Manuela Vollmann, die für bdv austria Mitglied im ENSIE-Vorstand ist. Sie nahm gemeinsam mit senior expert Charlotte Gruber an der Generalversammlung teil.

ESF: Nichts Genaues weiß man nicht

Unzufriedenheit machte sich am Rande des ENSIE-Treffens beim Austausch über die Umsetzung des Europäischen Sozialfonds (ESF) in den einzelnen Ländern breit: ENSIE hat zu diesem Thema gemeinsam mit der Social Platform eine Arbeitsgruppe gebildet, in der „best practice“- Beispiele aus einzelnen Ländern für alle zugänglich gemacht werden sollen. Es wurde fast einhellig berichtet, dass es noch keine genauen Vorgaben für die neue ESF-Periode gibt und alle mit den Abrechnungsmodalitäten sehr unzufrieden sind.