Manuela Vollmann: „Jede Arbeit ist wertvoll, egal, ob bezahlt oder unbezahlt“

arbeit plus –Vorstandsvorsitzende Manuela Vollmann im Gespräch über die Hintergründe der österreichweiten Aktion „Auch das ist Arbeit“

Worum geht es bei der Aktion „Auch das ist Arbeit“?

Manuela Vollmann: “Unbezahlte Arbeit bildet den Rückhalt für bezahlte Arbeit, macht diese überhaupt möglich.”

Manuela Vollmann: Die Aktion startet am 30. April, dem „Tag der Arbeitslosen“, und läuft den ganzen Mai über. Konkret geht es darum, einen Sticker an einem beliebigen Motiv anzubringen, das man persönlich mit „Arbeit“ verbindet und dieses an arbeit plus zu mailen oder unter dem Hashtag #auchdasistarbeit auf Facebook zu posten. Ob das nun ein Kochtopf voller Kartoffeln, der Kinderwagen oder das Verfassen von Bewerbungsschreiben ist – alles ist möglich, jede Idee ist willkommen. Die Botschaft hinter der Aktion lautet: Jede Arbeit ist wertvoll, egal, ob bezahlt oder unbezahlt. Die so entstehende Fülle von Bildern soll die vielen wichtigen Tätigkeiten, die sich im Verborgenen abspielen, ins Scheinwerferlicht rücken.

 Was ist das Ziel dahinter und wer kann mitmachen?

Vollmann: “Auch das ist Arbeit: Damit wir nicht im Dunkeln tappen.”

Jede und jeder kann mitmachen. Die Aktion richtet sich an alle Menschen in Österreich, die sich für eine gerechtere Verteilung von Arbeit in unserer Gesellschaft einsetzen möchten.

Arbeit ist in unserer Gesellschaft ja sehr ungleich verteilt: Zuerst einmal zwischen den Menschen insgesamt: Während die einen an einem „Zuviel“ an Arbeit leiden und ins Burnout rutschen, finden andere überhaupt keinen Job. Beides macht krank. Viele namhafte Expert*innen fordern deshalb beispielsweise schon lange eine Arbeitszeitverkürzung.

Laut Infofolder soll die Aktion auch mehr Bewusstsein für eine gerechtere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Frauen und Männern schaffen…

Das ist richtig, denn hier herrscht ebenfalls ein Ungleichgewicht: Frauen gehen in Österreich im Durchschnitt rund 32 Stunden. Männer hingegen fast 40 Stunden pro Woche einer Erwerbsarbeit nach. Frauen tragen nach wie vor die Hauptlast an unbezahlten Tätigkeiten wie Kinderbetreuung, Haushalt und Pflege, haben deshalb niedrigere Pensionen und ein höheres Armutsrisiko. Nur bezahlte Arbeit wird bewertet, ist öffentlich, ist sichtbar, gilt als produktiv. Alle Tätigkeiten, die sich außerhalb des Marktes abspielen, gelten – um mit der deutschen Ökonomin Adelheid Biesecker zu sprechen – als unproduktiv oder bestenfalls re-produktiv. Dabei bildet unbezahlte Arbeit den Rückhalt für bezahlte Arbeit, macht diese überhaupt möglich. Erst, wenn diese Tätigkeiten gesehen werden, werden sie auch geschätzt. Ich bin überzeugt: Wir brauchen als Gesellschaft Strategien für eine neue und gerechtere Verteilung von Arbeit. Sich bewusst zu werden, welche Dimensionen von „Arbeit“ es überhaupt gibt, ist hier ein erster Schritt. Darum machen wir diese Aktion.

Was genau meinen Sie mit „Dimensionen der Arbeit“?

Die bekannte deutsche Soziologin Frigga Haug unterscheidet in ihrer „Vier-In-Einem-Perspektive“ neben der bezahlten Erwerbsarbeit auch Sorgearbeit (Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen), Freiwilligenarbeit und die Arbeit „an sich selbst“ , im Sinne all dessen, was die Menschen für sich tun, etwa sich künstlerisch zu betätigen, zu musizieren oder sich weiterzubilden. Wir sind überzeugt: Nur eine Erwerbsarbeit, die Zeit und Raum lässt, für die weiteren drei „Arbeits-Felder“ wird uns Menschen in unserer Gesamtheit gerecht und ist ein grundlegender Baustein für eine zukunftsfähige Gesellschaft.

In diesem Sinne ist also auch Geige spielen Arbeit? Wird da der Arbeitsbegriff nicht entwertet oder zumindest verwaschen?

Es geht nicht darum, Erwerbsarbeit zu entwerten, sondern im Gegenteil, darum zu sagen: Jede Arbeit ist wertvoll, egal, ob bezahlt oder unbezahlt. Wenn jemand sagt, er persönlich sieht Musikmachen oder sein Haustier zu füttern nicht als Arbeit, dann ist das völlig in Ordnung. Es gibt hier kein „Richtig“ und „Falsch“, sondern es geht einfach um individuelle Zugänge. Es geht nicht um ein fertiges Konzept, sondern um einen Nachdenk- und Diskussionsprozess, den wir in Gang setzen möchten. Gleichzeitig wollen wir mit der Aktion darauf aufmerksam machen, dass wir in unserem Alltag auch Zeit benötigen um – wenn es uns Freude bereitet – etwa ein Musikinstrument erlernen zu können. Ich persönlich bin jedenfalls schon sehr gespannt, was sich die Leute alles an Bildern einfallen lassen.