#DenkArbeit: Digitalisierung & Digitale Inklusion in Zeiten von Corona

arbeit plus startet unter dem Titel #DenkArbeit eine Blogreihe zu Veränderungen und Herausforderungen, die die Corona-Krise für (Erwerbs)Arbeit bringt. Zu Wort kommen Expert*innen, Betroffene und Mitarbeiter*innen von Sozialen Unternehmen, mit dem Ziel, Impulse zum Weiterdenken zu geben.

Die erste Phase der Corona-Krise in Österreich scheint (vorerst) überstanden zu sein. Die Arbeitslosigkeit bleibt zwar dramatisch hoch, aber es kehren auch Menschen an ihre Arbeitsplätze zurück oder erhöhen nach Monaten in Kurzarbeit langsam wieder ihre Stundenausmaße. Die Sommermonate stellen für viele eine Übergangszeit dar zwischen ausschließlich Home Office und virtuellen Treffen und wieder verstärkter Präsenz und physischen Besprechungen. Ein guter Zeitpunkt also, um darüber zu reflektieren, welche digitalen Formate wir auch in Zukunft im betrieblichen Alltag beibehalten wollen und inwieweit sich die Zusammenarbeit in Teams verändert hat. Auf gesellschaftlicher Ebene braucht es Reflexion darüber, was uns die Krise in Hinblick auf die Digitalisierung der (Erwerbs)Arbeit insgesamt gezeigt hat. Einerseits beschleunigte sich die bereits begonnene Digitalisierung, andererseits traten bestehende Ungleichheiten und Exklusionsgefahren noch einmal deutlicher zutage und haben noch eine zusätzliche – digitale – Dimension gewonnen. Die Krise wird noch lange nachwirken, erste Lehren können wir aber vielleicht bereits jetzt mitnehmen.

Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt von Grund auf

Schon vor der Krise war die Digitalisierung der Arbeitswelt in vollem Gange. Besonders deutlich zeigt sie sich in zumindest vier Bereichen:

  • Digitalisierung verändert die Organisation von Arbeit. Ein Ergebnis davon ist beispielsweise die „Gig Economy“, in der sehr kleinteilige Aufgaben an Arbeiter*innen vergeben werden, die zuvor Teil eines größeren Berufsprofils waren.
  • Digitalisierung verändert, wo wir arbeiten. Während früher Arbeit und Privatleben strikt räumlich getrennt waren, so können jetzt viele Aufgaben ortsunabhängig erledigt werden, etwa im Home Office. In der ersten Phase der Krise erwies sich das einerseits als Vorteil, eine verstärkte Verlagerung von Arbeit außerhalb des definierten Arbeitsplatzes bringt aber auch Probleme mit sich. Home Office geht einher mit der Verlagerung von Verantwortlichkeit, etwa für Infrastruktur, an die Arbeitenden und auch die „Strukturierungsleistung“ des Arbeitstags muss von den Arbeitnehmer*innen alleine erbracht werden. Für viele ist das durchaus schwierig, gerade wenn sie nicht das Privileg eines eigenen Arbeitsplatzes zuhause haben. Damit hat die Krise auch bestehende Ungleichheiten in der Wohn- und Arbeitssituation sehr deutlich gemacht. Gleichzeitig wurde auch deutlich, wieviel bereits digital erledigt werden kann. „Die Krise hat sicher viele Ressentiments gerade von Führungskräften in Bezug auf Home Office abgebaut“, meint Dominik Klaus, Arbeitssoziologe an der Uni Wien. „Wichtig ist aber, dass die Entscheidung ob Home Office oder Büro die/der Arbeitnehmer*in treffen kann.“
  • Digitalisierung macht manche Jobs obsolet und trägt zu ihrem Verschwinden bei, schafft gleichzeitig aber auch neue Berufsbilder, die vor wenigen Jahren noch nicht existiert haben. Studien, die die Wahrscheinlichkeit der „Wegrationalisierung“ bestimmter Berufe berechnet haben, haben auch schon vor der Krise regelmäßig für mediales Aufsehen gesorgt. Auffällig ist, dass personennahe Dienstleistungen – die in der Krise „systemrelevanten Berufe“ – ein besonders niedriges Risiko haben, von Maschinen übernommen oder obsolet zu werden. In diesem Bereich steckt also nicht zuletzt aufgrund der Digitalisierung viel Potential für neue (geförderte) Beschäftigung.
  • Digitalisierung verändert bestehende Jobs und Anforderungen an Arbeitende. Stetiges Lernen und Anpassungsfähigkeit sind angesichts der sich ständig weiterentwickelnden Technologien eine Notwendigkeit, von der gerade Ältere oder Menschen mit niedriger formaler Bildung oft überfordert sind.

Digitalisierung ist gestaltbar

Die Veränderungen, die die Digitalisierung für die Arbeitswelt mit sich bringt, sind eine große Herausforderung, aber auch eine Chance. „Digitalisierung ist gestaltbar“, betont auch Dominik Klaus. Es ist möglich, die digitale Arbeitswelt so gestalten, dass sie für alle zugänglich ist – sei es durch angepasste Interfaces oder auch Weiterbildungsprogramme. Damit wird deutlich, dass gesellschaftliche Teilhabe im digitalen Zeitalter immer stärker an die Verwendung digitaler Technologien geknüpft ist. Digitale Inklusion und „digital literacy“ haben an Dringlichkeit gewonnen. Inklusion allgemein meint die Möglichkeit für alle Menschen, an der Gesellschaft teilzuhaben und dabei in ihrer Individualität akzeptiert zu werden. Dafür müssen Barrieren abgebaut werden, die einzelnen Menschen oder bestimmten Gruppen die Teilhabe erschweren. Bei digitaler Inklusion geht es also um viel mehr als Internetzugang oder den Besitz eines Endgeräts. Das wurde bereits im Rahmen des Projekts #diginclusion von arbeit plus vor mehr als einem Jahr deutlich. „Erste Schritte zu digitaler Inklusion müssen meistens analog und niederschwellig sein – sei es durch Beratung, gedruckte Anleitungen oder Offline-Workshops“, so Schifteh Hashemi, Geschäftsführerin von arbeit plus, zu den Ergebnissen von #diginclusion. Digitale Inklusion bedeutet, digitale Angebote so verwenden zu können, dass sie individuelle Handlungsoptionen erweitern und Teilhabe ermöglichen – nur Hardware alleine leistet das nicht. Außerdem hat arbeit plus  in einem partizipativen Prozess 10 Thesen zur Rolle der Sozialen Unternehmen in der digitalen Transformation erarbeitet.

Digitalisierung braucht digitale Inklusion

In den vergangenen Jahren sind erste Initiativen entstanden, den Fortschritt in Bezug auf digitale Inklusion mess- und darstellbar zu machen. Australien beispielsweise erstellt seit mehreren Jahren regelmäßig den „Australian Digital Inclusion Index“, in dem erhoben wird, welche Bevölkerungsgruppen besonders von digitaler Exklusion betroffen sind. Der „Inclusive Internet Index“ der Economist Intelligence Unit vergleicht die Leistbarkeit und Verfügbarkeit von Internet ebenso wie das Nutzungsverhalten der Menschen in insgesamt 99 Ländern, Österreich befindet sich auf Platz 16. Beide Indikatoren zeigen, dass gerade das notwendige Wissen zur Nutzung von digitalen Angeboten oft fehlt und viele Menschen diesen auch mit Skepsis begegnen. Insbesondere ältere Menschen und arbeitsmarktferne Personen sind davon betroffen. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Exklusion von „mobile only“ Nutzer*innen, also Menschen, die das Internet nur auf digitalen Endgeräten mit oftmals begrenztem Datenvolumen nutzen. Die Digitalisierung stellt ohnehin schon benachteiligte, einkommensschwache Gruppen vor besondere Herausforderungen.

In der Arbeit der Sozialen Unternehmen zeigte die Corona Krise die Konsequenzen von geringer digitaler Inklusion und die bestehenden Barrieren sehr deutlich. Viele Menschen, die im Beratungsbereich betreut wurden, waren zeitweise nicht oder nur noch sehr schwer erreichbar, hatten auf ihren mobilen Endgeräten kein ausreichendes Internetvolumen, um an Online Schulungen und Beratungen teilnehmen zu können oder keine ausreichende Ausstattung, oftmals keinen eigenen PC oder Laptop, manchmal nicht einmal ein eigenes Smartphone. Für viele war es herausfordernd, über Videokonferenz zu kommunizieren oder Online-Lernplattformen zu nutzen. Die Sozialen Unternehmen reagierten auf diese Probleme schnell und kreativ. Manchen gelang es, in Kooperation mit ReUse Betrieben Laptops zur Verfügung zu stellen. Viele griffen gerade in Hinblick auf die Erreichbarkeit der Zielgruppe auf analoge Lösungen zurück und verschickten beispielsweise Lernunterlagen per Post. Beratung war online ebenso wie telefonisch möglich, die Berater*innen waren bemüht darum, Kontakt zu halten und den Klient*innen so weiter ein Stück Normalität und Teilhabe zu ermöglichen.

Digitale Exklusion von besonders vulnerablen Zielgruppen ist ein strukturelles Problem, das in der Corona-Krise sehr deutlich geworden ist. Angesichts der anstehenden und sich beschleunigenden Änderungen der Arbeitswelt braucht es in Zukunft vonseiten der Politik Visionen, finanzielle Mittel und Maßnahmen, wie wir möglichst alle in die neue Arbeitswelt mitnehmen können und nicht riskieren, dass Digitalisierung ein weiterer gesellschaftlicher Exklusionsfaktor wird.