Bank für Gemeinwohl: Die Vorstände Tschütscher und Moser im Interview

dieZeitschrift: Wer arbeitet bei der “Bank für Gemeinwohl” mit?
Robert Moser*: Die Menschen kommen aus allen Altersgruppen, zwischen 20 und 70 Jahren, sie kommen aus verschiedenen Bereichen: Vom Hochschulprofessor über Organisationsberater bis hin zu Menschen in Kreativberufen. Wir haben 600 Vereinsmitglieder, davon sind 80 projektaktiv. Es ist erstaunlich, aber es sind immer die richtigen da, die das Meinungsspektrum der Vereinsmitglieder vertreten. Wir können uns aufeinander verlassen und darauf, dass alle Strömungen berücksichtigt werden. Es steht der starke Wunsch dahinter, die Bank zu realisieren. Wir verstehen uns als zivilgesellschaftliches Projekt, das die Mitte der Gesellschaft präsentiert und in keinem speziellen politischen Spektrum angesiedelt ist. Es geht darum, eine konkrete Idee umzusetzen und nicht darum, politische Statements abzugeben.

dieZeitschrift.at: Wie funktioniert die Projektarbeit?
Christine Tschütscher**: Ein bedeutender Aspekt ist das Funktionieren der Selbstorganisation. Wir arbeiten derzeit in vier Arbeitskreisen und über 20 kleineren Arbeitsteams. Wenn sich 80 Projektaktive treffen, kann und soll das nicht zentral gesteuert werden. Erzählt man jemanden, dass wir ohne Hierarchie, ohne die üblichen Gängelungen, ohne das Command-Controll-Verfahren, agieren, gibt man uns keine Chance. Aber es funktioniert.

40.000 Genossenschafter

dieZeitschrift.at: Was unterscheidet die Gemeinwohlbank von herkömmlichen Banken?
Robert Moser: Es ist eine zivilgesellschaftliche Gründung, die Bank hat keinen Allein-Eigentümer. Jedes Genossenschaftsmitglied hat ein Stimmrecht (Anm. Kopfstimmrecht), egal wie hoch sein Anteil ist. Es gibt kein Anteilsstimmrecht. Die Bank wird nicht von Großkapitalgebern finanziert, die Rendite- oder Geschäftsziele verfolgen müssen, sondern die Bank gehört allen, die mitmachen wollen. Gewinne der Gemeinwohlbank werden nicht an die Eigentümer, sondern in ein Sondervermögen ausgeschüttet, um Gemeinwohlprojekte zu unterstützen. Vorstände werden nicht von Freunden im Aufsichtsrat gewählt, sondern die Genossenschaftsmitglieder wählen den Vorstand und den Aufsichtsrat.

dieZeitschrift.at: Sie planen Jahreshauptversammlungen mit 40.000 Menschen?
Christine Tschütscher (lacht): Wir würden uns freuen, wenn 2000 Mitglieder zur Versammlung kämen. Momentan entwickeln wir ein Onlineabstimmungssystem.

Zinsenverzicht

dieZeitschrift.at: Die Gemeinwohlbank wird sich auf die Kerngeschäfte wie Giro-, Sparkonten und Kreditvergabe konzentrieren. Welche Unternehmen erhalten Finanzierungen?
Robert Moser: Die Bank finanziert nur gemeinwohlorientierte, soziale, ökologische Projekte. Die verrechneten Zinsen sind abhängig davon, wie gemeinwohlorientiert das Projekt ist. Je nachhaltiger die Unternehmung ist, umso niedriger sind die Zinsen. Selbstverständlich werden alle Kreditantragsteller den üblichen Bonitätsprüfungen unterzogen. Die Gemeinwohlprüfung ist ein weiteres Kriterium.

dieZeitschrift.at: Wie finanziert sich die günstige Kreditvergabe?
Christine Tschütscher: Die Sparer werden zu einem freiwilligen Zinsverzicht eingeladen. Je mehr Sparer auf Zinsen verzichten, umso günstigere Kredite können vergeben werden. Der Sparer weiß, dass mit seinem Geld etwas Sinnvolles passiert – das nicht ein undurchsichtiger Fond finanziert wird, sondern etwas Gescheites. Jeder kann seine Zinsen einer Branche zuteilen, etwa: Alternativenergie, Landwirtschaft, Ernährung und Bildung und Soziales. Es können sich auch regional Gruppen zusammenschließen, ihr Geld bei der Gemeinwohlbank anlegen, auf die Zinsen verzichten, aber bestimmen, dass in ein regionales, gemeinwohlorientiertes Projekt investiert werden muss. Der Sparer ist nicht direkter Kreditgeber, seine Einlagen sind sicher. Alle jenen Sparer, die nicht auf ihre Zinsen verzichten wollen, werden diese zu banküblichen Konditionen ausgezahlt bekommen.

Gewinn steht nicht im Mittelpunkt

dieZeitschrift.at: Wird es Filialen geben?
Robert Moser: Eher nicht, die klassischen Bankfilialen sind zu teuer. Der Hauptstandpunkt bleibt in Wien. Die Geschäfte werden via Onlinebanking durchgeführt. In der zweiten Ausbaustufe wird es jedoch regionale Informationsbüro geben.

dieZeitschrift.at: Es fehlt noch die Banklizenz von der Finanzmarktaufsicht.
Robert Moser: Wir haben von der FMA eine Zusage, dass, sobald sechs Millionen Euro gesammelt worden sind, der Lizenzprozess beginnen kann. Schließlich ist es der politische Wille und im volkwirtschaftlichen Interesse, möglichst stabile Banken zu bauen. Die FMA prüft uns und erteilt eine Genehmigung oder lehnt sie ab. Sollte letzteres passieren, wird das Geld an die Unterstützer zurücküberwiesen. Aber davon gehen wir nicht aus. Aus Gesprächen wissen wir, dass es kompliziert, aber machbar ist.

dieZeitschrift.at: Wer sollte sich nicht an der Genossenschaft beteiligen?
Christine Tschütscher: Zinsjäger oder jene, die wegen Lockkonditionen Banken auswählen. Wir können keine Gratis-Giro-Konten anbieten.

dieZeitschrift.at: Sie haben in den letzten Monaten eine große Informationskampagne gefahren. Was waren die Ängste der Besucher?
Robert Moser: Die Kernangst kreiste um die Sicherheit der Spareinlagen. Aber auch für unsere Bank wird die Einlagensicherung gelten.

dieZeitschrift.at: Wann wird die Bank eröffnen?
Christine Tschütscher: Anfangs glaubten wir, dass das schneller gehen würde. Nun peilen wir Ende 2016 an. Eine Bank, bei der gilt: Gewinn ist nicht der Mittelpunkt, sondern Mittel. Punkt.

Alle Infos zur Bank für Gemeinwohl finden Sie hier

*Robert Moser war Vorstand in mehreren leitenden Funktionen in Banken, zuletzt 22 Jahre als Vorstand der Sparkasse Kitzbühel. Seinen Wunsch,  als Psychotherapeut zu arbeiten.  hat er für das Projekt, eine ethische Bank zu schaffen, vorerst hintan gestellt.

**Christine Tschütscher hat Bankerfahrung, arbeitete 5 Jahre bei Start-up und war die letzten 8 Jahre Geschäftsführerin einer NGO mit 100 Mitarbeitern. Die Idee, eine Gemeinwohl Bank aus der Zivilgesellschaft heraus zu gründen, fasziniert sie an diesem Projekt.