Arbeit als bester Türöffner in die Integration

Wann hat gelungene Integration anzusetzen? Welche Rolle kann dabei gemeinnützige Tätigkeit spielen? Und was kann Österreich aus dem Deutschen Modell lernen? Diese und weitere Fragen wurden im Rahmen des Bad Ischler Sozialpartnerdialoges bei einem Arbeitsmarktpanel diskutiert. Auf dem Podium war neben Bundesminister Alois Stöger, Raimund Becker von der deutschen Bundesagentur für Arbeit, der Unternehmensberaterin Sabine M. Fischer (SYMFONY Consulting) und dem Vorsitzenden der Gewerkschaftsjugend Sascha Ernzt auch arbeit plus-Geschäftsführerin Judith Pühringer.

„Arbeit ist der beste Weg, um in die Integration hineinzuwachsen“, betonte WKÖ-Präsident Leitl, der das Panel leitete,  und verwies auf die gemeinsame Forderung der Sozialpartner nach besseren Arbeitsmarktzugängen für Asylwerber. Für jene, denen der Asylstatus bereits gewährt ist, soll eine Tätigkeit im Rahmen des kollektivvertraglichen Systems erfolgen, fordert Leitl. „Und ich bin für die Gewährung einer Integrationsprämie an jene Betriebe, die einem Asylwerber einen Arbeitsplatz geben“. Auch die Möglichkeit einer Schnupperlehre sei zu überdenken.

Man dürfe aber auch die Rahmenbedingungen für einen funktionierenden Arbeitsmarkt mit nachhaltigen Integrationsmechanismen nicht vergessen: „Wir brauchen Investitionsförderungen, denn Investitionen sind der wichtigste Einflussfaktor für den Arbeitsmarkt“, so der WKÖ-Präsident.

Integration ist alternativenlos

arbeit plus-Geschäftsführerin Judith Pühringer beleuchtete die Rolle der gemeinnützigen Unternehmen. „Es gibt keine Alternative zu einer Integration am Arbeitsmarkt.“ Dies sei nicht nur aus ökonomischen Gründen so, sondern auch aus humanitären. Pühringer sieht es als Menschenrecht, einen Zugang zum Arbeitsmarkt zu erhalten.

Die gemeinnützigen Sozialen Unternehmen seien hier ein Partner, denn sie haben viel Erfahrung. „Auch bei Langzeitarbeitslosen müssen mitunter Kompetenzen aktiviert werden“, so Pühringer. Die Arbeitsmarktexpertin plädierte für einen Schulterschluss. „Es braucht regionale Beschäftigungspakte von privaten und gemeinnützigen Unternehmen.“

Wichtig ist Pühringer, dass kein neuer Niedriglohnsektor entsteht. „Es ist ein Unterschied, ob jemand zu Kollektivvertragsbedingungen in gemeinnützigen Organisationen arbeitet oder ob unter dem Begriff ‚gemeinnützige Arbeit’ in Wirklichkeit Ein-Euro-Jobs gemeint sind.”

Verschiedene Methoden kombinieren

Raimund Becker, Mitglied des Vorstandes der deutschen Bundesagentur für Arbeit, erläuterte, wie seine Institution mit der Herausforderung des Flüchtlingszustroms umgeht und Integrationsmaßnahmen setzt. „Es geht darum, die Menschen an der richtigen Stelle abzuholen und klug verschiedene Methoden zur Integration zu kombinieren.“ Die Menschen, die nach Deutschland kämen, seien im Schnitt sehr jung und motiviert, eine Herausforderung sei jedoch die mangelnde Sprachkenntnis: nur 2 Prozent können Deutsch. Daher wurde in Deutschland gezielt in sehr breit und sehr früh angebotene Sprachkurse investiert.

„Die Riesenherausforderung aber ist die Kompetenzerfassung der Flüchtlinge“, erläuterte Becker. 80 Prozent der Flüchtlinge kämen zwar mit praktischen Erfahrungen, nicht aber mit einer formalen Qualifizierung vergleichbar mit unserer ins Land. Daher hat die Bundesagentur verschiedene, spezielle Methoden der Kompetenzerfassung entwickelt.

Die Palette der Maßnahmen hat einen Schwerpunkt bei möglichst frühzeitigen Gesprächen mit den Flüchtlingen bereits in den Ankunftszentren, wie Becker erläuterte: „Dort versuchen wir im persönlichen Gespräch herauszufinden, was die Fähigkeiten und Talente der Menschen sind.“ Aber auch maßgeschneiderte Angebote wie Berufsberatung bereits in den Schulen, spezielle Maßnahmen für weibliche Flüchtlinge oder spezielle Betreuung von Analphabeten gehört dazu.

Dass sich der Fachkräftemangel linear durch den Flüchtlingszustrom beheben lässt, stimmt in dieser Form aus seiner Sicht nicht. „Sind diese Menschen die Fachkräfte von heute oder morgen? Nein. Aber sie können, wenn wir kluge Integrationsmaßnahmen setzen, die Fachkräfte von übermorgen sein.“

Stöger: „Müssen Leistung auch ermöglichen“

Bundesminister Alois Stöger betonte die Wichtigkeit, sich „mit verschiedenen Arbeitskulturen auseinanderzusetzen und mit diesen Differenzen konstruktiv umgehen“. Integrationsschwerpunkte wären auch Spracherwerb und Kompetenzfeststellung, wobei er einräumt, dass das Formale in Österreich oft überbetont würde. Stöger hält außerdem fest: „Es führt kein Weg daran vorbei, Schutzsuchende zu integrieren. Ich bin außerdem davon überzeugt, dass diese Menschen hier auch ihren Beitrag leisten wollen – unsere Aufgabe ist es, ihnen das auch zu ermöglichen“.

Die Vorschläge der Sozialpartner zur Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt, die der alten Bundesregierung vorgelegt wurden, hält der Minister für durchaus brauchbar. Sie seien aber in der Regierung unter Bundekanzler Faymann nicht mehrheitsfähig gewesen. „Die Angst vor den Pull-Faktoren hat hier eine Lösung im Sinne der Sozialpartner verhindert, aber man muss Schutzsuchende auch etwas leisten lassen“, so Stöger.
Er kündigt Änderungen in der Entsenderichtlinie an und bekräftigt, sich weiterhin vehement für mehr Investitionen einzusetzen, um Arbeitsplätze zu schaffen.

Unterstützung für kleine Betriebe

Sabine M. Fischer fordert mehr Unterstützung für Klein-und Mittelbetriebe bei der Integration von Flüchtlingen, denn „das können KMUs nicht alleine leisten. Unsere Aufgabe ist es, Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen. Alle sozialen Aktivitäten müssen erst erwirtschaftet werden.“ Fischer weist auch auf Probleme mit verschiedenen „Wirtschaftskulturen“ hin: „In Österreich erwarten KundInnen, dass eine Handelsfiliale pünktlich aufsperrt oder Produkte richtig ausgepreist sind. Hier haben wir leider die Erfahrung gemacht, dass Migrantenfamilien auch noch in zweiter und dritter Generation diese Pünktlichkeit und Kompetenz nicht mitbringen. Wir Unternehmer versuchen auch Menschen, die nicht ausreichend qualifiziert sind mitzutragen – aber dabei brauchen wir wirklich Unterstützung.“

Perspektive für junge Menschen

Der Vorsitzende der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) Sascha Ernszt betonte, dass die Perspektiven für junge Menschen unabhängig ihrer Herkunft immer schwieriger werden. „Mit der Ausbildungsgarantie und der Ausbildung bis 18 ist im gesetzlichen Rahmen viel passiert. Aber zum schönen Rahmen gehört ein schönes Bild, und das bekommt allmählich Risse“, so Ernszt. Die Anzahl der Lehrstellen würde in Österreich zurückgehen, auch bei der Qualitätssicherung der Lehrausbildung bestünde Bedarf. „Das gesetzliche Rahmenwerk wurde geschaffen, jetzt muss man den jungen Menschen eine Perspektive geben.“

Für Flüchtlinge könne ein Einstieg ins Berufsleben über gemeinnützige Arbeit erfolgen. „Alle, die in Österreich leben, sollten ein paar Stunden in der Woche gemeinnützig arbeiten. Es darf jedoch zu keinem Verdrängungswettbewerb kommen“, so der ÖGJ-Vorsitzende.

Dass gemeinnützige Tätigkeiten in Gemeinden für Asylwerber sinnvoll wären, betonten Minister Stöger und WKÖ-Chef Leitl in ihren Schluss-Statements. Die sei eine sehr gute Möglichkeit, um in Arbeit und Gesellschaft hinein zu wachsen, so Stöger. Gleichzeitig seien gemeinnützige Tätigkeiten Sinn- und Struktur stiftend und gäben den Asylwerbern eine Möglichkeit, einen Beitrag in unserer Gesellschaft zu leisten. Einen Katalog für die Art der Tätigkeiten sehen jedoch beide skeptisch.

*Der Text wurde geringfügig bearbeitet.